Der Koordinator für das Freiwillige soziale Jahr Kultur in Hamburg und Niedersachsen berichtet über ein Gemeinschaftsprojekt der Hamburger Freiwilligen im FSJ KULTUR und stellt den Freiwilligendienst vor.
Autor: Kai Krüger
So etwas hat man im Museum für Völkerkunde noch nicht gesehen: Durch den Innenhof der ehrwürdigen Stätte wandelten bunte Stelzenläufer in fantasievollen Flattergewändern – Vorboten einer Veranstaltung, die den sonst so tristen Ort in einen sommerlichen Tummelplatz mit abwechslungsreichem Programm verwandeln sollte. Von den rotzigen Texten des Singer und Songwriters Ove, dessen Lieder „unter die Hornhaut“ gingen, über Poetry-Slam und exotisch-akrobatischem Fackeltanz bis zu den Abräumern der Indie-Band Estuar – für jeden der ca. 500 Gäste wurde am 16. Juli bei der Veranstaltung mit dem sinnigen Titel „Wir machen Euch den Hof“ etwas geboten.
Organisiert wurde das Event nicht von Veranstaltungsprofis, sondern von einer Gruppe junger Leute, die mit dem Festival gerade Neuland betreten haben: Tessa, Jessica und Caroline organisierten den Hofnachmittag im Rahmen ihres Freiwilligen Sozialen Jahres Kultur.
Im FSJ Kultur arbeiten junge Menschen von 16 bis 27 Jahren für ein Taschengeld in Museen und Theatern, in Medientreffs und Kunstschulen, in Bibliotheken und Gedenkstätten, in Musikeinrichtungen oder soziokulturellen Zentren. Im September 2001 startete die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung in Kooperation mit den Landesvereinigungen das Bundesmodellprojekt „Rein ins Leben“ mit jeweils 25 Plätzen im FSJ Kultur in den Bundesländern Thüringen, Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Bereits zum September 2003 war es erklärtes Ziel, der enormen Nachfrage von Jugendlichen und Einrichtungen nachzukommen und auch in bisher nicht beteiligten Bundesländern den Kulturellen Freiwilligendienst zu realisieren.
Die Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Niedersachsen (LKJ), die bis dahin den Freiwilligendienst in Niedersachsen koordiniert hatte, übernahm den Anschub in Hamburg mit zunächst vier Plätzen – heute sind stolze dreißig Einsatzstellen beteiligt, vom Deutschen Schauspielhaus über die Alfred Toepfer Stiftung bis hin zur W3. Zugangsvoraussetzungen wie Schulabschluss oder Zeugnisnoten gibt es keine – nur ein lebendiges Interesse an Kultur und der Wunsch, bürgerschaftliches Engagement zu leben und die Kulturszene einer Stadt mitzugestalten, zählt. Denn die Jugendlichen sind in den ganz normalen Arbeitsalltag der Einsatzstellen integriert und bereichern das Programm mit einem eigenständigen Projekt. Sie dürfen mitreden und Verantwortung übernehmen und werden so zu Vorbildern für andere Jugendliche.
Aber dies ist nicht der einzige Gewinn: Mit dem FSJ Kultur wird zudem eine nachhaltige Wirkung für die Kinder- und Jugendkulturarbeit erreicht. Die meisten Projekte sind in diesem Bereich angesiedelt – aus gutem Grund, denn Jugendliche sind schließlich Fachleute, wenn es um den Geschmack von jungen Menschen geht. Somit gewinnt die Einsatzstelle auch einen wichtigen Ansprechpartner für die jugendliche Zielgruppe.
Die Freiwilligen nutzen das Jahr außerdem für ihre berufliche Orientierung und Persönlichkeitsbildung. Sie lernen den Arbeitsalltag einer kulturellen Einrichtung kennen, realisieren ein eigenes Projekt, stärken und erweitern ihre Fähigkeiten und Grenzen. Nicht zuletzt entsteht durch das FSJ Kultur ein gestärktes Netzwerk, welches über neue Zusammenhänge einen Austausch erfährt. Von großen Häusern wie Museen, Staats- und Stadttheatern, Weiterbildungseinrichtungen bis hin zu kleinen Musik- und Kunstschulen entsteht ein gemeinsamer thematischer Kontext.
Die Idee, als eigenes Projekt ein Kunst-Fest zu veranstalten, entstand bei Tessa, Jessica und Caroline aus dem Wunsch heraus, unbekannten Künstlern aus verschiedenen Sparten die Möglichkeit zu eröffnen, sich mit ihren Talenten zu präsentieren und Kontakte zu knüpfen. „Insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene sollen mit dieser Veranstaltung angesprochen werden und damit in die Hamburger Kunstszene einbezogen werden,“ sagt Tessa Trummer, Freiwillige im Bramfelder Kulturladen. „Wir möchten dieser Zielgruppe Mut machen und sie motivieren, in diesem Bereich selbst aktiv zu werden“, fügt Jessica Hoffmann, Freiwillige im Museum für Völkerkunde, hinzu. Sämtliche Kulturschaffende, kulturelle Einrichtungen und Ehrenamtliche haben sich unentgeldlich dazu bereit erklärt, bei der Verwirklichung des Projektes zu unterstützen.
Die begleitenden Seminare werden ebenfalls von der LKJ gestaltet. Schon im Einstiegsseminar werden die Freiwilligen in einem Workshop in Sachen Projektmanagement auf die Spur gebracht. „Hier werden die Jugendlichen angeregt, sich mit anderen Freiwilligen zu vernetzen und gemeinsame Sache zu machen“, erklärt Tessa Trummer. „Denn im Laufe des Jahres entwickeln sich alle Jugendlichen zu Profis auf ihrem Gebiet. Was liegt da näher, als Synergieeffekte zu nutzen, um etwas wirklich Großes zu erreichen.“ Um so etwas „richtig Großes“ zu schaffen, muss man allerdings auch an viele Kleinigkeiten denken. „Wir hätten nie gedacht, was man für eine Veranstaltung alles bedenken muss: Lizenzen müssen beantragt, GEMA-Listen geführt und Versicherungen abgeschlossen werden.“ erzählt Caroline, die ihr FSJ Kultur im Stadtteilkulturzentrum Goldbekhaus macht. „Und die wichtigste Frage ist natürlich: Woher kommt das Geld?“ Für die Veranstaltung haben die drei „Hofdamen“ Geld von verschiedenen Hamburger Stiftungen beantragt – und auch bekommen, worauf sie besonders stolz sind. In diesem Sinne war das Festival ein im wahrsten Sinne des Wortes hoffähiges Event.
Kontakt:
Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Niedersachsen, Arnswaldtstr. 28, 30159 Hannover, 0511/60 06 05 63, www.lkjnds.de