Stadtteilkultur steht heute für die Teilhabe und Gestaltung aller Menschen an einer internationalen Stadtgesellschaft. Gerade lokale Zugänge zur Kultur fördern die Bildungsgerechtigkeit und künstlerische Nachwuchstalente. Sie erschließen bisher ungesehene Potenziale, die für die Zukunftsgestaltung unserer Stadt unverzichtbar sind. Bildung und kulturelle Teilhabe sind essentielle Bausteine des Erfolges der Stadtteilkultur, gerade in Gebieten mit einem hohen Anteil bildungsferner Zielgruppen unterschiedlichster kultureller Herkunft. Genau in solchen Gebieten wächst ein gemeinsames Kulturverständnis mit den dort lebendigen Kulturen. Stadtteilkulturzentren reichern die kulturelle Vielfalt vor Ort an und ermöglichen speziell Kindern und Jugendlichen flächendeckend Zugänge zur Kunst und kultureller Bildung.
Dörte Inselmann, Vorsitzende und Intendantin der Stiftung Kulturpalast Hamburg über Stadtteilkultur im Aufschwung und fehlende Ressourcen.
Autorin: Dörte Inselmann
Wachsende Teilhabe in der Kinder- und Jugendkultur
Das Kulturbarometer des Zentrums für Kulturforschung beobachtet eine seit Jahren rückläufige Tendenz kultureller Teilhabe bei Jugendlichen aus bildungsfernen Bevölkerungsgruppen. Demgegenüber stehen sehr erfolgreiche Projekte in der Stadtteilkultur, deren Erfolgsmerkmal qualitativ hochwertige Kunst- und Kulturprojekte sind, die speziell Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Quartieren erreichen, positive Zugänge schaffen und die Identifikation mit Bildung und Kultur auf eine breite Basis stellen.
So hat der Kulturpalast Hamburg z. B. die Klangstrolche und die HipHop Academy initiiert, die LOLA das Kinderkulturhaus, die MOTTE die Ohrlotsen, das Goldbekhaus das Schukula-Projekt und der Bramfelder Kulturladen die Goldene Wandse.
Eine umfassende Evaluation stellte fest, dass die Hamburger Stadtteilkultur Impulsgeber für Innovation und Stadtentwicklungsprozesse ist, mit Angeboten der kulturellen Bildung alle Zielgruppen erreicht und an Effizienz kaum zu überbieten ist. Der Kulturpalast erreicht zum Beispiel mit seinen Angeboten jährlich 140.000 Kinder und Jugendliche. Mittlerweile haben die jungen Zielgrupppen mit 58 Prozent der Gesamtbesucherzahl die Oberhand gewonnen. Geschätzte 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben einen migrantischen Hintergrund und kommen aus sogenannten benachteiligten Gebieten.
Wie der Kulturpalast, verzeichnen auch viele andere Stadtteilkulturzentren kontinuierlich wachsende Besucherzahlen – im Kulturpalast verdoppelte sich diese Zahl in den letzten fünf Jahren auf 230.000 Besucher pro Jahr. Die damit einhergehenden akuten räumlichen Engpässe sollen vielerorts im nächsten Jahr durch Erweiterungsbauten kompensiert werden: im Kulturpalast, der Zinnschmelze, der MOTTE, im Ella – Kulturhaus u. a.
Lokale und globale Kulturverbindungen durch gelebte „Internationalität“ in den Quartieren
Der Kulturpalast erreicht beispielsweise in Billstedt in den letzten Jahren vermehrt migrantische Zielgruppen sowie internationale Künstler und organisiert länderübergreifende Koope-rationen. Denn aus seiner Sicht ist es eine weitere wesentliche Aufgabe von Stadtteilkultur, kulturelle Potenziale in den Quartieren mit Hamburg, Deutschland und der ganzen Welt zu verbinden und Diskurse, Kooperationen und fachlichen Austausch hierfür einzugehen. Der Kulturpalast Hamburg wurde noch nie von sovielen ausländischen Künstlern, deutschen Institutionen und Delegationen aufgesucht wie in den letzten Jahren und rangierte damit zu einem Trendsetter für gemeinschaftliche Gestaltung und weltweite Vernetzung.
Modellhafte Innovationsförderung für Bildungsgerechtigkeit durch Kultur
Heute nimmt die Bedeutung der Zugänge durch Stadtteilkultur in den Stadtentwicklungsgebieten maßgeblich zu und bildet Gestaltungsraum, Identifikation und Heimat für vielfältige internationale kulturelle Potenziale in den Quartieren. Die vielgestaltigen Häuser erarbeiten maßgeschneiderte neue Systeme, die Zugänge zur kulturellen Teilhabe und damit zum Bildungssystem erweitern und so Bildungschancen frühzeitig ermöglichen. Das Hamburger Bildungssystem muss auch von Qualifizierungsstrukturen anderer Kulturen profitieren und sich mit ihnen verbinden. Dafür bedarf es der Förderung innovativer Projekte an den Schnittstellen „Schulentwicklung durch Kultur“ und „Stadtteilentwicklung durch Kultur“.
Die Hamburger Stadtkultur benötigt dringend eine finanzielle Ausstattung für die Erschließung dieser Zukunftspotenziale unserer Stadt, um mehr Infrastruktur und Programmangebote in Randgebieten für Potenzialerschließung einer internationalen Stadtgesellschaft für die Metropolstadt Hamburg zu schaffen. Die Stadtkulturzentren erreichen zum Beispiel jedes Jahr über 1.800.000 Besucher und haben eine Eigenfinanzie-rungsquote von über 41 Prozent, erhalten aber nur 4.911.395 Euro institutionelle Förderungen, das sind 1,7 Prozent des Kulturhaushaltes und 0,05 Prozent des Gesamthaushaltes der Hansestadt Hamburg.
Die Metropolstadt Hamburg muss sich in den nächsten Jahren auf eine Verdoppelung der Stadtteilkulturmittel zur Erschließung der Zukunftspotenziale einstellen, um ein gemeinsames Kulturverständnis für eine internationale Stadtgesellschaft entwickeln zu können.
Kontakt:
Stiftung Kulturpalast Hamburg, Dörte Inselmann, Öjendorfer Weg 30a, 22119 Hamburg, 040/822 45 68-0,