Mit 3.760 Quadratmetern Nutzfläche, zwei Veranstaltungssälen und acht Seminarräumen ist das BÜRGERHAUS WILHELMSBURG das größte seiner Art. Damit diese freien Räume zu Freiräumen werden, liegt auf der Raumnutzung ein besonderes Augenmerk der Konzeptentwicklung des Hauses.
Autorin: Bettina Kiehn
Der Gründungsfunke für das Bürgerhaus Wilhelmsburg war Ende der 70er Jahre der Bedarf nach einem Festsaal für die ansässigen Vereine. Daraus wurde im Laufe der Planungen ein Haus mit „allem Drum und Dran“, das Bedarfe weit über den Sozialraum hinaus befriedigen sollte. Neben den genannten lokalen Vereinen wurde hier auch Raum geschaffen für andere gemeinnützige Organisationen, Parteien, Verbände, Gewerkschaften oder Religionsgemeinschaften, um Tagungen, Fortbildungen, Feste oder Kulturveranstaltungen durchzuführen.
Von den Vereinen Wilhelmsburgs der 70er Jahre sind nicht mehr viele übrig geblieben. Zumindest ist der Bedarf an Festsälen auf ein Minimum zusammengeschrumpft. Und auch ein Veranstaltungssaal mit 700 Plätzen ist in Wilhelmsburg mit Kulturveranstaltungen nicht so ohne Weiteres zu füllen.
Stetig gestiegen ist jedoch die Nachfrage nach bezahlbaren, professionell ausgestatteten Räumen für im weitesten Sinne zivilgesellschaftliche Nutzergruppen aus der Metropolregion Hamburg und dem gesamten Bundesgebiet. Um diese Nachfrage zu bedienen, waren eine Reihe von Maßnahmen erforderlich. Der vielleicht wichtigste Schritt war, die Bereitstellung von Räumen als Dienstleistung im Leitbild gleichrangig zu den Hausprofilen „Ort der Begegnung“, „Kulturforum“ und „Haus kultureller Bildung“ zu definieren. Daraus ließen sich sowohl die erweiterten Zeitfenster für diese Nutzungsart, als auch eine Reihe von Investitionen für diesen Profilbereich ableiten. Neben der professionellen Ausstattung – bei den Nutzeranforderungen gibt es praktisch keinen Unterschied zwischen Privatwirtschaft und Gemeinnützigen – spielen aber auch „bezahlbare“ Preise eine wichtige Rolle. „Bezahlbar“ ist zwar ein höchst dehnbarer Begriff, aber das Bürgerhaus versucht mit einer speziellen Tarifgruppe für die oft wenig finanzstarken Nutzer – im oberen Drittel der möglichen Spanne – ein Angebot zu machen. Gewinn erwirtschaftet der Tagungsbereich des Hauses, weil die Räume auch – zu deutlich höheren Preisen – an Firmen vermietet werden. Ein Ende der Nachfrage im Segment zivilgesellschaftlicher Raumbedarfe ist nicht abzusehen. Werbung für das Angebot macht das Bürgerhaus nicht, es kann aber bereits jetzt schon vielen Raumwünschen, besonders in der Hochsaison, nicht mehr nachkommen.
Eine besondere Rolle bei der Raumnutzung spielen die lokalen Vereine, Initiativen, selbstorganisierten Gruppen und Netzwerke. Die Wilhelmsburger haben im Bürgerhaus quasi „Hausrecht“, können Gruppenräume kostenlos und die Säle für eine eher symbolisches Entgelt nutzen. Das wird als besonderer Standortvorteil von den Wilhelmsburger Selbstorganisationen geschätzt und hat dem Haus den Ehrentitel „Hardware der Bürgerbewegung“ eingebracht.
Eine Voraussetzung für die vielfältigen Nutzungen ist, dass alle Räume multifunktional ausgestattet sind. Jeder Raum muss täglich von mehreren unterschiedlichen Gruppen genutzt werden können. Spezifische Ausstattungen verbieten sich ebenso, wie eine exklusive Nutzung durch einzelne Gruppen. Wer Glück hat, kann für seine Gruppe ein Schrankfach ergattern. Diese Einschränkung in Kauf zu nehmen, fällt nicht immer leicht, zumal es ähnlich große Bedarfe an Funktionsräumen, wie z.B. Musikübungsräumen oder Werkstätten gibt. Einige im Stadtteil aktive Gruppen wünschen sich zudem exklusive Räume für ihre spezifischen Vereinsbedarfe. Daher liegt auch wieder die Forderung nach einem „Vereinshaus“ in Wilhelmsburg auf dem Tisch.
Das Ziel, zivilgesellschaftliche Organisationen, insbesondere Selbstorganisationen mit dem Zur-Verfügung-Stellen gut ausgestatteter, bezahlbarer Raumressourcen zu stärken, hat das gesamte Konzept des Hauses vielfältig durchdrungen. Das heißt vor allem: Es reicht nicht, dass die Räume da sind und alle kommen können. Das Bürgerhaus versteht es als seine Aufgabe, mit interkulturellen Projekten alle Bevölkerungsgruppen der Elbinseln ins Bürgerhaus und zur Mitgestaltung einzuladen. Mit dem Grundsatz der kooperativen Projektentwicklung arbeitet es daran, dass die diversen Communities Wilhelmsburgs das Bürgerhaus als ihres begreifen können.
In verschieden Netzwerken werden die Raumoptionen des Bürgerhauses genutzt, um für alle Beteiligten einen Zugewinn zu schaffen. Mit mehreren Partnern wird z.B. das „Elbinsel Frauenfest“ organisiert – eine Veranstaltung mit ca. 300 Frauen, die ohne die Räume des Bürgerhauses so nicht stattfinden könnte. Oder das Schulchor-Treffen des Netzwerks für Musik von den Elbinseln: Eine Bühne, auf der hundert Kinder aktiv sein können – mit 400 weiteren im Publikum, macht dieses Format erst möglich.
Eine stetige Entwicklungsaufgabe ist es, die Diversitätsoffenheit des Hauses auszubauen. Dazu gehören nicht nur interkulturelle Projekte und Netzwerke, sondern auch eine angemessene Ausstattung für verschiedene Altersgruppen, barrierefreie Wege im Haus oder eine optional verfügbare Induktionsschleife im großen Saal.
Bei dem gemeinsam mit dem Türkischen Elternbund e.V. und dem Verein Zukunft Elbinsel organisierten „Aktionstag der Initiativen und Verein der Elbinseln“ im vergangenen Herbst, wurde besonders deutlich, welche Bedeutung gut verfügbare Raumoptionen und Ausstattungen für Selbstorganisationen haben. Ein wichtiges Feedback der Teilnehmerinnen und Teilnehmer war: „Wir konnten einfach kommen und alles stand in gewünschter Anzahl da: Tische, Stellwände, Strom. Da macht es richtig Spaß, sich zu engagieren!“
Kontakt:
Bürgerhaus Wilhelmsburg, Mengestr. 20, 21107 Hamburg, 040/75 20 17-0, , www.buewi.de