Wenn von kultureller Teilhabe die Rede ist, dann geht es meist um den Mangel an derselben, also darum, dass viele Kinder kaum jemals ein Theater von innen sehen, geschweige denn seine Bühne betreten. Das lässt sich ändern, bringt jedoch die Frage mit sich, was an dieser Art der kulturellen Teilhabe eigentlich wünschenswert ist? Überlegungen aus dem Forschungstheater im FUNDUS THEATER.
Autorin: Dr. Sibylle Peters
Die Antwort scheint einfach: Gesehen zu werden, in der Öffentlichkeit zu stehen, Aufmerksamkeit und Anerkennung zu finden – all das ist wünschenswert und all das können Kinder in der Theaterarbeit erleben. Aber ist damit bereits das gemeint, was man gegenwärtig mit dem Wort der Selbstwirksamkeit zu beschreiben versucht?
Kulturelle Teilhabe im Sinne von Selbstwirksamkeit, das ist das Gefühl, an wichtigen Prozessen des kulturellen Lebens mitwirken zu können, das eigene Denken, Tun, Gestalten und Entscheiden als wirksam zu erleben.
Auch Theaterarbeit ist einer dieser Prozesse, und doch scheint es zuweilen, als ob da etwas verwechselt wird: Ist man schon wirksam, nur weil es gelingt, die Augen der anderen auf sich zu ziehen? Könnte es nicht sein, dass der ubiquitäre Wunsch nach Aufmerksamkeit häufig für den Wunsch nach ganz anderen Formen von Teilhabe einstehen muss?
Zweifelsohne gibt es neben der kulturellen Praxis im engeren Sinne – der Theaterarbeit, dem Musizieren, dem bildnerischen oder medialen Gestalten – noch viele andere kulturelle Fragen und Prozesse, deren Bedeutung wir wahrnehmen, ohne in sie eingreifen zu können. Das Spektrum dieser Fragen und Prozesse ist so weit wie die Welt, die die Kinder, die ins Forschungstheater kommen, gerade kennenlernen. Was geht darin Interessantes vor? Da gibt es zum Beispiel das Geld, das eine so große Rolle spielt. Wer macht es eigentlich? Und könnten wir die Kunst des Geldmachens auch erlernen, könnten wir uns da einschalten? Oder die Sache mit den Piraten, die wir eigentlich nur aus Büchern, Filmen und vom Design unserer Zahnbürste kennen, und die nun plötzlich echt sind. Wo kommen sie her, wer sind sie und wie können wir mit ihnen umgehen?
Doch nicht nur die Kinder, auch die Künstler*innen und Wissenschaftler*innen des Forschungstheaters haben an den mit diesen Fragen verbundenen Prozessen der Entscheidung, der Gestaltung, der Erprobung kaum teil. Und doch: Wir wünschen uns, daran teilzuhaben. Und das Forschungstheater ist ein Ort, an dem wir (wieder) lernen, diese Wünsche ernst zu nehmen und ihnen nachzugehen. Das schaffen Kinder und Erwachsene am Besten gemeinsam, denn während sich die Erwachsenen häufig genug schon viel zu sehr auf das eingestellt haben, was als Normalität empfunden wird, haben viele Kinder noch ganz direkte Wünsche nach dieser Art der Teilhabe: Ich wünschte, ich könnte mein eigenes Geld drucken! Ich wünschte, ich könnte mit einem echten Piraten sprechen!
An Theaterarbeit teilzuhaben, ist dann großartig, wenn sie uns die Mittel in die Hand gibt, zugleich an anderen gesellschaftlichen Prozessen teilzuhaben, die uns interessieren. Mit dem Theater auf unserer Seite können wir vielleicht wirklich mit echten Piraten sprechen, können wir unser eigenes Geld drucken. Denn wir haben Räume und Zeiten, die wir gemeinsam nutzen können, und wir haben die Bühne als öffentliches Forum und Präsentationsraum.
Performative Techniken, szenische Phantasien und institutionelle Rahmungen geben uns Mut, etwas auszuprobieren, das wir kaum für möglich gehalten hätten. Denn selbst wenn es nicht klappt – Theater wird es in jedem Fall, und wir lernen dabei etwas über die Welt, das wir noch nicht wussten. Wir forschen.
KONTAKT
FUNDUS THEATER
Hasselbrookstraße 25 · 22089 Hamburg · 040/250 72 70
· www.fundus-theater.de