Wer als Geflüchteter in einem ihm zunächst fremden Land versucht, sich ein neues Leben aufzubauen, braucht zum einen Kontakte zu den Menschen, die bereits dort leben, und versucht zum anderen, Zugang zum Arbeitsmarkt in der neuen Umgebung zu erhalten. Ein Bundesfreiwilligendienst mit dem BFD Welcome in einer Hamburger Kultureinrichtung ist eine gute Gelegenheit für Geflüchtete, erste Schritte auf diesem Weg zu tun. Gleichzeitig und fast nebenbei wird die deutsche Sprache erlernt und vertieft. Wie gut dies gelingt, zeigen die Erfahrungen von Freiwilligen des ersten BFD Welcome-Jahrganges von STADTKULTUR HAMBURG. Eine wissenschaftliche Studie der Universität Hamburg wertete diese nun aus. Doch auch die Einsatzstellen profitieren sehr von der Unterstützung durch die Freiwilligen.
Autor*innen: Corinne Eichner und Klaus Irler
Die gerade veröffentlichte Forschungsarbeit von Kristina Brehmer und Mehdi Chbihi im Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg über die „Auswirkungen der Freiwilligenarbeit auf die Integration von Geflüchteten am Beispiel des BFD Welcome Hamburg“ zeigt: Der BFD Welcome hilft den Freiwilligen beim Aufbau vertrauensvoller und stabiler sozialer Beziehungen zu länger hier lebenden Menschen – insbesondere den Kollegen, unterstützt beim Spracherwerb und ist nützlich bei der Suche nach einer Festanstellung. Die Beispiele einiger Freiwilliger belegen dies.
Ahmad Alkhatib liebt Bücher. In Syrien hat er Bibliothekswissenschaften studiert und in Deutschland würde er gerne in einer Bibliothek arbeiten. Die Hamburger Bücherhallen haben alles, was Alkhatib liebt, aber sie hatten auch das Problem, dass geflüchtete Menschen das Angebot kaum nutzten, weil jemand fehlte, der ihnen in der Bibliothek hilft. Im Bundesfreiwilligendienst haben Alkhatib und die Bücherhallen zusammengefunden: Seit 1. Juli 2016 engagiert sich Alkhatib für 20 Stunden pro Woche in der Zentralbibliothek am Hühnerposten. Angedockt ist er in der Abteilung „Interkulturelle Dienste, Sprachen, Pädagogik“. Der 25-Jährige bietet Führungen auf Arabisch an und berät bei der Auswahl arabischsprachiger Neuanschaffungen. Parallel zu seiner Arbeit als Bundesfreiwilliger absolvierte er den Integrationskurs und ist momentan dabei, das B2-Zertifikat zu erwerben. Ahmad Alkhatib ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Freiwilligen des BFD Welcome als kulturelle Brückenbauer wichtige Leistungen für die Einsatzstellen erbringen und selbst profitieren, in dem sie ihre sprachlichen Kompetenzen ausbauen und in das Alltagsleben in Deutschland hineinfinden.
Die Erfahrungen aus dem Bundesfreiwilligendienst werden von Arbeitgebern, so die Einschätzung der Studie, positiv bewertet und erhöhen so die Chancen auf einen Arbeitsplatz, wie auch das Beispiel von Talal Zeidan zeigt: In Syrien war Talal Zeidan Teamleiter und Verkäufer, aber eine Ausbildung hat er nicht gemacht. Der 34-jährige hat trotzdem versucht, Arbeit zu finden. Ihn brachte der BFD in den Kultur Palast Billstedt, wo er sich als Hausmeisterassistent engagierte. Talal Zeidan konnte sein Deutsch verbessern und sich für andere Arbeitgeber interessant machen. Mittlerweile hat er einen Job im Hamburger Hafen gefunden. Und der ist für Talal Zeidan auch deshalb so wichtig, weil Frau und Kind nach Deutschland mitgekommen sind.
Welche Bedeutung der Bundesfreiwilligendienst für Geflüchtete und kulturelle Einsatzorte haben kann und welcher Vorbildcharakter dem Dienst damit auch gesellschaftlich zukommt, zeigt das Beispiel Mazen Salehs im Goldbekhaus: Durch den Einsatz und die Impulse von Geflüchteten im Freiwilligendienst und ihre Einbindung in die Strukturen vor Ort vollziehen die Einrichtungen wichtige Schritte hin zu einer interkulturellen Öffnung. Mazen Saleh hat in Damaskus Schauspiel studiert und ist entschlossen, auch in Deutschland in der Theaterwelt zu arbeiten. Im Rahmen seines Engagements im Goldbekhaus brachte der 30-jährige das Stück „Werkzeuge für Morgen“ zur Aufführung. Mazen Saleh hat das Stück selbst geschrieben, führte Regie und spielte eine der Hauptrollen. Für das Goldbekhaus wurde der Theaterabend, der von den Erfahrungen eines Geflüchteten in Deutschland erzählt, nicht nur in künstlerischer Hinsicht ein Erfolg. Mazen Saleh schaffte es mit seiner positiven Art, das Haus für Geflüchtete interessant zu machen. Saleh brachte mit seinem Engagement das Goldbekhaus dem Ziel, einen offenen Ort für interkulturelle Kulturarbeit zu entwickeln, ein gutes Stück näher.
Das für alle Seiten erfolgreiche Modell des BFD Welcome wird von STADTKULTUR HAMBURG weiterentwickelt und ausgebaut: Um die positiven Effekte des BFD Welcome für Geflüchtete und Einsatzstellen weiter zu verstärken und die Vorbereitung der Freiwilligen auf den Arbeitsmarkt noch zu verbessern, plant STADTKULTUR HAMBURG ein neues Curriculum für das begleitende Fortbildungsprogramm und eine Kooperation mit der Handelskammer, um die Chancen der Geflüchteten auf einen Arbeitsplatz noch zu vergrößern.
In einem Kooperationsprogramm mit der Stiftung Kultur Palast Hamburg, der „International Music Education“, sollen außerdem etwa 30 Geflüchtete mit musikpädagogischen Vor-erfahrungen im BFD Welcome zu Musikerzieher*innen ausgebildet werden. Weitere Plätze in verschiedenen Kultureinrichtungen sind in Vorbereitung.
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