Bei den Jenkitos der Freien Kulturinitiative der Quadriga lernen Jenfelder Kinder und Jugendliche von Profis alle Facetten der Theaterkunst kennen – und bereichern den Stadtteil mit selbst entwickelten Inszenierungen.
Autorinnen: Andrea Gritzke und Helga Königs-Schinner
„Kurz vor der Premiere denke ich, ich schaffe das nicht. Aber wenn ich dann auf der Bühne stehe, dann denke ich, ich will hier nie wieder weg!“ So beschreibt Anne, die seit zehn Jahren dabei ist, was einen Auftritt mit den Jenkitos für sie so einzigartig macht. Theater zu spielen helfe ihr auch im Alltag, sagt die 16-Jährige. Sie sei selbstbewusster geworden und beherrsche dadurch besser die deutsche Sprache.
Bei den Jenkitos der Freien Kulturinitiative der Quadriga lernen Jenfelder Kinder und Jugendliche von Profis alle Facetten der Theaterkunst kennen. Die jungen Schauspieler*innen zeigen seit zehn Jahren Theatershows, die das Publikum begeistern. Viele sind von Anfang an dabei. Die Stücke bringen die kulturelle Vielfalt der Akteur*innen auf die Bühne und zeigen, welche Talente in diesem „sozial belasteten“ Stadtteil heranwachsen.
Der Name Jenkitos ist ein Kunstwort aus „Moskito“ und „Jenfeld“. Moskitos gibt es überall auf der Welt, und genauso international ist auch das Junge Theater Jenfeld. Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund ist überdurchschnittlich, er liegt bei etwa 80 Prozent. Und wie Moskitos sollen die Stücke der Jenkitos hier und da mal „piksen“, also auch kritisch, unbequem und anspruchsvoll sein.
In jeder Spielzeit, die rund neun Monate dauert, entstehen bis zu drei Theaterproduktionen mit rund 50 Akteur*innen im Alter von neun bis 19 Jahren. Jedes Stück entwickeln die Gruppenmitglieder selbst, gemeinsam mit erfahrenen Theaterprofis.
Ziel ist es, Schauspiel, Tanz und Gesang professionell, nachhaltig und lebensnah zu vermitteln. Die Inszenierungen greifen die Erlebniswelt der Kinder und Jugendlichen auf, ihre Ideen fließen unmittelbar in die Stücke ein. Bei der Arbeit entwickeln die Beteiligten ihre körperliche, künstlerische und sprachliche Ausdrucksfähigkeit und verbessern auch ihre sozialen Fähigkeiten. Jede*r kann mitmachen und sich nach seinen individuellen Möglichkeiten ausprobieren und weiterentwickeln. „Die Ideen von allen – den Jungs, den Mädchen, den Jüngeren und den Älteren – werden in einem Topf gemixt und es wird eine richtig tolle Suppe daraus gekocht“, sagt die 19-jährige Enisa, die schon viele Jahre dabei ist.
Angefangen hat alles 2009 mit „Jenfeld gezappt“. Bei dem Stück ging es um den Wunsch der Kinder, berühmt zu werden und ins Fernsehen zu kommen. Seitdem sind 14 Stücke entstanden, die die Jenkitos auf Bühnen und an anderen Orten im Stadtteil – oft auch Open Air – aufgeführt haben. Die Kinder und Jugendlichen lassen sich bei ihrer Arbeit von verschiedensten Quellen inspirieren – von Büchern, Filmen und vor allem vom eigenen Leben. Bei „Nolybab“ (2010) etwa thematisierten sie die vielen Sprachen, die in Jenfeld gesprochen werden. Und bei „X-Mal Lola“ (2011) berichteten Jenfelder Kinder von ihren Träumen. Was sind ihre Vorstellungen vom Leben – wer möchten sie sein? Um das Thema Heimat ging es in „Ich und meine Welt“ (2014) – eine Spurensuche zu den Familien und Herkunftsländern der Schauspieler*innen. Und bei „Kurz und Herzlos“ (2018) drehte sich alles um die Liebe. Die Jenkitos erreichen ein Publikum aller Altersgruppen aus unterschiedlichen Milieus. Der Eintritt ist günstig, Eltern und Ehrenamtliche helfen mit, Kinderköche gestalten die Premierenfeiern. Pro Spielzeit besuchen rund 1.200 Zuschauer*innen die Aufführungen. „Ihr habt heftige Präsentation abgeliefert!“, lautet einer der Publikumskommentare im Gästebuch zum Stück „Kurz und Herzlos“, eine andere schrieb: „Ich hatte tatsächlich Tränen in den Augen.“
Die Zusammenarbeit mit Schulen, Künstler*innen sowie dem Jenfeld-Haus belebt die lokale Kultur und die Vernetzung im Stadtteil. 2018 hat zudem das Kabarett-Duo Alma Hoppe die Schirmherrschaft übernommen. Alle Projekte werden durch Stiftungen, externe zusätzliche Förderung sowie private Spenden finanziert.
Was die Jenkitos für sie bedeuten, drückt die 17-jährige Jessica so aus: „Was alle anderen Theaterangebote toppt, die ich kenne, ist hier der Zusammenhalt. Hier hast du deine Freunde, hier bist du gut aufgehoben und es ist so wie deine zweite Familie und die möchte man auch nicht loslassen.“
KONTAKT
Quadriga gGmbH
Jenfelder Tannenweg 10 · 22045 Hamburg · 040/66 11 93
· www.jenkitos.de