Wer in Deutschland über Gehälter spricht, muss eine Unterscheidung treffen: Reden wir vom öffentlichen Dienst? Oder von der freien Wirtschaft? Oder von so etwas wie der Stadtteilkultur, die weder das Eine noch das Andere ist?
Autor: Klaus Irler
Angestellte in der freien Wirtschaft verdienen für die gleiche Arbeit meist mehr Geld als Angestellte im öffentlichen Dienst. Dafür ist der Job im öffentlichen Dienst sicherer, meist unbefristet, oft weniger verdichtet. Soweit die allgemeine Einschätzung.
Im Bereich der Stadtteilkultur sieht das anders aus. Die Stadtteilkultur ist aus keiner Behörde heraus entstanden, aber sie gehört doch mehr zur Sphäre des Öffentlichen Dienstes als zu der der freien Wirtschaft. In der Regel wird die Stadtteilkultur von gemeinnützigen Vereinen realisiert, die von der öffentlichen Hand gefördert werden. Gefördert, aber nicht mehr: Die Stadtteilkultur hängt am Tropf der städtischen Verwaltung, ohne ein Teil von ihr zu sein.
Das macht das Leben finanziell gesehen schwer. Sicherheiten und Tarife des Öffentlichen Dienstes gelten eingeschränkt bis gar nicht und die Profitorientierung der freien Wirtschaft darf nicht gelten, sonst ist die Gemeinnützigkeit der Trägervereine in Gefahr. Die Stadtteilkultur steht zwischen den Stühlen.
Besonders hart trifft das jene Beschäftigten in der Stadtteilkultur, die keine Festanstellung haben, sondern über Projektgelder bezahlt werden. Kulturarbeit als Projekt ist schnell prekäre Arbeit: Befristet, mies bezahlt, ohne soziale Absicherung. Das ist nicht immer so, aber häufig genug, dass sich ein Begriff dafür herausgebildet hat: Das Kulturprekariat.
Das andere Problem, das Kulturarbeiter haben, ist weiter gefasst: Es dreht sich um das Argument, dass Beschäftigte in einem Arbeitsbereich mit gesellschaftlicher Relevanz aus ihrer Arbeit eine besondere Befriedigung ziehen. Deshalb akzeptieren diese Beschäftigten schlechtere Löhne – und bekommen auch schlechtere Löhne gezahlt.
Ökonomen sprechen in diesem Zusammenhang von „individuellen Präferenzen“. Im Umkehrschluss sehen sie die vergleichsweise hohen Löhne, die etwa bei VW am Fließband gezahlt werden, als Entschädigung. Der höhere Lohn wird begründet als Ausgleichszahlung dafür, dass Präferenzen nicht bedient werden. Ökonomen sprechen vom „Arbeitsleid“, mit dem auch in der freien Wirtschaft argumentiert wird: In der Medienbranche etwa verdienen Journalisten in der Regel weniger als Verlagsmitarbeiter – mit Hinweis auf ihre schönen kreativen Jobs.
Nach einer Studie des Karrierenetzwerks Xing wären z.B. rund die Hälfte der Beschäftigten bereit, für mehr Sinn im Job auf Gehalt zu verzichten, jeder zehnte Befragte würde für eine gesellschaftlich relevantere Tätigkeit sogar den Job wechseln.
Die Strategie, für befriedigende Jobs schlecht zu bezahlen, funktioniert so lange, so lange sich ausreichend qualifizierte Leute finden, die die geringen Gehälter akzeptieren. Wenn die Schere zwischen Lebenshaltungskosten und Einkommen aber so weit auseinander geht, dass mit einem solchen Job kein Auskommen mehr möglich ist, wird es ernst. Dann ist ein professionelles Arbeiten in diesem Bereich nicht mehr möglich.
Die Folgen wären im Bereich der Stadtteilkultur nicht nur ein Verlust an Fach- und Sachkompetenz, sondern auch ein Rückschritt bei der Entwicklung der Zivilgesellschaft und eine Schwächung des sozialen Zusammenhalts. Das alles sind Dinge, die nicht im Sinne einer Bilanz quantifizierbar sind – die aber auch aus wirtschaftlicher Perspektive richtig teuer werden können.