Die Initiative KulturWert kämpft für eine leistungsgerechte Bezahlung in der Hamburger Stadtteilkultur. Auch, um den Generationswechsel, der vielen Häusern bevorsteht, schaffen zu können.
Autor*innen: Johanna Wippermann und Timo Gorf
Im Frühjahr 2018 begann eine Handvoll Kolleg*innen aus einer Handvoll Stadtteilkulturzentren sich zu treffen, um über ihre Arbeit zu sprechen und nach Ideen für neue Konzepte zu suchen.
Geeint hat die Gruppe anfänglich ihre noch junge Betriebszugehörigkeit – daher nannten sie sich „Junge Stadtteilkultur“. Zwischen dreißig und vierzig Jahre alt, mit vielen Ideen im Gepäck und hoch motiviert, waren sie in den Zentren angetreten, um ihre gelernten Fähigkeiten als Kulturwissenschaftler*innen und Kulturmanger*innen in der Hamburger Soziokultur anzuwenden und mit den Menschen in den Stadtteilen und Quartieren kulturelle Bildung, Projekte und Freizeitangebote zu realisieren.
Bei den Treffen kamen die Kolleg*innen immer wieder weg von inhaltlichen Fragen und hin zu den Strukturen und Ressourcen, die der Stadtteilkultur im Allgemeinen, den Häusern und den Mitarbeitenden im Speziellen zur Verfügung stehen: Die finanzielle Ausstattung, vor allem aber die im Verhältnis zu anderen Branchen sehr niedrigen Gehälter – egal ob für die Umbauhelfenden bei Veranstaltungen, für die Projektmitarbeitenden oder die Geschäftsführungen. Die Summe auf den Lohnzetteln ist für ein Leben in einer der wohlhabendsten und teuersten Städte Deutschlands viel zu wenig. Also wurde aus der Gruppe „Junge Stadtteilkultur“ die Initiative KulturWert, die für eine leistungsgerechte Bezahlung in der Hamburger Stadtteilkultur kämpft.
„Die Aufgaben, die wir erfüllen, gehen weit über die Anforderungen hinaus, die im Hinblick auf den gleichen Lohn die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu erfüllen haben“ erinnert sich Alex Wilke von der Horner Freiheit an die ersten Erkenntnisse einer kritischen Auseinandersetzung. „Wenn man sich Stellenanzeigen von Ausschreibungen des öffentlichen Dienstes und von Kulturbetrieben anschaut und deren Anforderungen liest, dann müssten alle von uns eigentlich mehrere Entgeltstufen nach oben rutschen“ sagen Johanna Wippermann und Martina Quast vom Kulturzentrum Bürgerhaus in Meiendorf.
Réka Csorba vom Kulturschloss Wandsbek ergänzt, „dass es in den vielen Zentren gar keine Anwendung von Tarifverträgen gibt, die Globalrichtlinie Stadtteilkultur aber als Vorgabe für alle Angestellten das sogenannte ,Besserstellungsverbot‘ fordert“. Dabei sollte es „doch besser ein Schlechterstellungsverbot geben, das würde den Senat dann auch dazu zwingen, die Kolleg*innen in den Zentren mit den gleichen Ressourcen auszustatten wie Mitarbeitende in anderen vergleichbaren öffentlichen Einrichtungen“, sagt Timo Gorf, Betriebsrat bei der Stiftung Bürgerhaus Wilhelmsburg. Timo ist seit vielen Jahren bei der Gewerkschaft ver.di aktiv, das Thema der leistungsgerechten Bezahlung in der Hamburger Soziokultur beschäftigt ihn, seit er 2009 als Projektassistenz in der Stadtteilkultur begonnen hat.
Vor etwa einem Jahr hat sich die Gruppe an den Gewerkschaftssekretär André Kretschmar gewandt, um zu horchen, ob die Gewerkschaft eine Verbündete im Kampf für eine faire Entlohnungsstruktur sein kann. Kurze Zeit später gab es dann erste Treffen der Gruppe mit ver.di und man war fest entschlossen, den Kampf für eine faire Entlohnungsstruktur in der Soziokultur mit den politischen Akteuren in der Hansestadt aufzunehmen.
Schwierig an der Gesamtlage ist, dass die Zentren, Bürgerhäuser und auch Community Center allesamt eigene (Vereins-) Strukturen haben und es den klassischen Gegenspieler so nicht gibt. Die Vereine oder Stiftungen sind die Arbeitgeber der Angestellten in den Häusern, ein Großteil des Geldes wird aber durch die Stadt Hamburg in Form von Zuwendungen bereitgestellt.
Diese Zuwendungen sind grundsätzlich viel zu gering, um den Angestellten eine faire Entlohnung oder gar Anspruch auf Tarifleistungen wie Überstundenzuschläge oder Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld zu gewähren. Der Aktivengruppe ist es besonders wichtig, dass alle Häuser solidarisch miteinander sind und gemeinsam die Forderungen erkämpfen. Unabhängig, ob klein, groß, in Hamburg-Mitte oder Harburg: Bei diesem Kampf geht es um die Zukunft der Arbeitsfähigkeit der Häuser.
Der Generationswechsel in der Stadtteilkultur wird in den kommenden fünf bis zehn Jahren die Struktur und Arbeitsweise der Häuser nachhaltig verändern und muss daher mit sehr gut ausgebildetem Personal ausgestattet sein. Die Pionierarbeit der Gründergeneration, das damalige Erkämpfen von Immobilien und Anerkennung, später durch den Staat in Form von Zuwendungen, hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Kulturarbeit, egal ob akademisch fundiert oder in vielen Ausbildungsberufen, zu einer attraktiven Berufswahl im Sinne des Gemeinwohls geworden ist.
Diese spezialisierten Fachkräfte wird es aber nicht mit Dumpinglöhnen geben. Und auch die „alten Hasen“, die nach etlichen Jahrzehnten Kultur- und Bildungsarbeit bald in Rente gehen und mit ihren Gehältern nie die Möglichkeit hatten, ein finanzielles Polster aufzubauen, überlegen nun, wie sie ihre zukünftige Rente aufbessern können – vielleicht durch einen steuerfreien Minijob im Kulturzentrum um die Ecke?
Das Bündnis KulturWert fordert für die Stadtteilkultur:
- einen gerechten Tarifvertrag und eine gerechte Einstufung für alle Beschäftigten
- mehr Geld, um eine Bezahlung zu ermöglichen, die den komplexen Aufgaben entspricht
- mehr Geld für eine bedarfsgerechte Personalausstattung, damit nicht weiterhin wenige Beschäftigte immer mehr Aufgaben bewältigen müssen
- dauerhafte Arbeitsverträge für befristet eingestellte Kolleg*innen
- bessere Einstiegsgehälter
- Wochenend- und Nachtzulagen
- die Einhaltung von Vereinbarungen aus dem Tarifvertrag wie z.B. Sonderzahlungen („Weihnachtsgeld“)
- eine dynamische Anpassung der Förderung bei Tarifsteigerungen
- das Recht auf ein ProfiTicket des HVV
KONTAKT
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