Die nächste Phase

Als Reaktion auf den Lockdown brachte das Fundus Theater sein Performance-Spiel „PLAYING UP“ online in die Wohnungen und schickte das Forschungstheaterteam real auf Erkundungsreise in die Schulen. Nun laufen die Planungen für die nächste Spielzeit nicht nur in sondern auch mit der Krise, berichtet Geschäftsführerin Gundula Hölty.

Autorin: Gundula Hölty

Seit der Theaterschließung haben wir sieben Wochen lang jeden Tag auf Facebook und Instagram eine Spielanleitung für Zuhause aus unserem Performance-Spiel „PLAYING UP“ wie auch Aktionen in Anlehnung an weitere Projekte und Theaterproduktionen aus unserem Haus gepostet – und wir haben uns vorgestellt: Jedes Mal, wenn eins der Spiele gespielt wurde, war unser Theater in einer anderen Wohnung – ein bisschen jedenfalls.

Wir haben uns über die positiven Reaktionen auf unsere Online-Präsenz gefreut, aber das Digitale kann keine Live-Performance ersetzen. Eine erste Auswertung zeigt außerdem, dass wir mit unserem Online-Angebot nur ein Bruchteil unseres Publikums – eher die Privilegierteren – erreichen können.

Der neue Club der Autonomen Astronaut*innen

Und so kam die Zeit, in der wir gerne in eine neue Phase der Arbeit in und mit der Krise eintreten wollten. Wir teilten die Sorge der Kinder- und Jugendärzte und der ASSITEJ Deutschland, die darauf hinwiesen, dass die Stimmen der Kinder in dieser Krise nicht zu hören sind, dass ihre Perspektive auf das Geschehen stark unterrepräsentiert ist. Zudem beobachteten wir, dass viele Kinder verständlicherweise große Schwierigkeiten haben, Abstandsregeln einzuhalten und Vorsichtsmaßnahmen im Kopf zu behalten.

Auf dem „Corona-Planeten“ in der Grundschule Jenfelder Straße, Foto: Christopher Weymann

Es kam uns vor, als wären wir wieder in unserem Club, dem Club der Autonomen Astronaut*innen: Als hätte sich das Theater in ein Raumschiff verwandelt, das auf einem neuen Planeten gelandet ist, einem gefährlichen Planeten. So startete das Forschungstheaterteam Mitte Mai Expeditionen in Schulen, um sich persönlich zu erkundigen, wie es den Schüler*innen geht und was sie über den Corona-Planeten schon herausgefunden haben, natürlich mit Abstand und allem Drum und Dran, ausgestattet mit Schutzmasken, die unterschiedliche Stimmungen anzeigen können, und selbstgebauten Raumanzügen, die den nötigen Abstand zwischen Personen materialisieren und erfahrbar machen.

So konnte jeweils drei Kindern ein kurzes Probespiel angeboten werden, in dem es darum geht, wie mit dieser neuen Körpererfahrung ein Miteinander möglich ist: Wie spielen, sich begrüßen, etc. Im Anschluss an das Spiel wurden die Kinder zu ihren Erfahrungen in der Krise interviewt – selbstverständlich auch dies mit Abstand. So entstanden erste Expeditionsfilme.

Interviews in Lagos, Nigeria, Videostill: Vernacular Art Space

Im Unterschied zur alten Erde haben auf dem Corona-Planeten alle mit demselben Thema zu tun. Deshalb haben wir eine Kooperation mit dem Vernacular Art Space in Iwaya gestartet. Iwaya ist ein Stadtteil von Lagos in Nigeria. Wir wollen Kinder und Erwachsene hier und dort ins Gespräch zu bringen. Denn vieles ist jetzt ähnlich, manches auch nicht: In Iwaya wird das Essen knapp, in Eilbek nicht. Mit unserer Kooperation wollen wir Familien dort helfen und hören, welche Erfahrungen Kinder hier und dort mit der Krise machen. Die Hamburger Kinder haben außerdem die Möglichkeit, Botschaften und Fragen nach Lagos zu übermitteln. Erste Eindrücke aus Lagos sind bereits filmisch festgehalten.

Und weiter?

Die Planungen für die nächste Spielzeit laufen und schon jetzt wissen wir, Corona wird noch nicht ganz vorbei sein. Wir planen deshalb für den Beginn der Spielzeit Aufführungen für jeweils nur eine Gruppe in der Reihe EINE KLASSE FÜR SICH.

Gundula Hölty
Gundula Hölty

studierte Angewandten Kulturwissenschaften und startete 2004 am Fundus Theater als Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Programmplanung und Fundraising. Seit 2017 ist sie Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Fundus Theater gGmbH.

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