Improvisation als Zustand

Der Brakula hat sich nach besten Kräften on- und offline gegen die Corona-Krise gestemmt. Hat sich der große Aufwand gelohnt? Naja, findet Brakula-Mitarbeiter Konstantin Ulmer.

Kulturmenschen sind improvisationsgeschult. Der Brakula war zu Beginn der Corona-Krise dementsprechend flink, finde ich: Wir haben unmittelbar nach der Schließung gestreamt, gepodcastet und unseren YouTube-Kanal gefüttert, haben Spenden gesammelt, um unsere Künstler*innen zu unterstützen, haben geskypt und gezoomt.

Der Sänger Trouserhill auf der Open-Air-Bühne, Foto: Britta Sominka

Wir haben Antragsunterlagen über den VPN-Zugang ausgefüllt und diskutiert, wie wir den Kartenverkauf weiter digitalisieren können. Haben Hygienekonzepte geschrieben und Viruzide eingekauft. Haben unsere desinfizierten Türen zum gut gelüfteten Brakula umgehend wieder für Gruppen und Kurse geöffnet, als das möglich war. Haben eine Open-Air-Bühne auf dem Parkplatz installiert und den legendären Frauenklamottenflohmarkt wieder aus der Corona-Pause geholt.

Wir haben meiner Meinung nach – auch im Vergleich – wirklich gut performt.

Aber, ganz ehrlich: Der Aufwand war groß, der Output: naja. Das Interesse an gestreamten Veranstaltungen war nie gigantisch und ist noch geringer geworden. Und auch nach der Öffnung kann man beispielsweise unsere diversen Slam-Formate mit 25 abstandswahrenden Gästen (mehr Besucher dürfen sich laut Verordnung nicht im Veranstaltungsraum des Brakula gleichzeitig aufhalten, Anm.d.R.) gleich knicken. Viele Kurse laufen zögerlich wieder an, oftmals in geringerer Besetzung. Lange geplante Kooperationsprojekte mit benachbarten Schulen stehen, im besten Fall, weiterhin in der Schwebe.

Wir planen hin und her und ziemlich viel landet letztlich in der Tonne. Von den Zahlen müssen wir gar nicht erst sprechen. Und ja, die Perspektive… Improvisation macht kreativ. Permanente Improvisation macht müde.

Wir leben von Begegnungen, und davon gibt es derzeit viel zu wenige. Hinzu kommt, dass wir ja nicht nur Kulturmenschen, sondern auch Privatmenschen sind. Videokonferenzen mit Kindern auf dem Schoß haben längst ihren Witz verloren.

Und das Positive? Ja, na klar: Wir haben viel gelernt, einige Ideen werden sich verstetigen, wir haben einen Digitalisierungssprung gemacht und so weiter und so fort. Ich könnte auch noch eine Metapher bemühen à la Kultur ist ein wichtiger Impfstoff gegen die nationalistisch-rassistisch-verschwörungstheoretische Grütze, die in der Corona-Krise wieder einmal hochgeköchelt ist. Aber das wusste jeder, der sich darum geschert hat, auch vor der Pandemie schon.

Bleibt eigentlich nur noch eins: Augen zu und durch. Ich hoffe nur, dass ich dabei nicht wegnicke.

Konstantin Ulmer
Konstantin Ulmer

ist Jahrgang 1983, studierte Germanistik, Politik-, Kommunikations- und Medienwissenschaft in Leipzig, machte währenddessen allerhand Praktika in der Kulturvermittlung und promovierte im Anschluss mit einer literatursoziologischen Arbeit. Seit 2015 entwickelt er im „Kulturlabor“ des Brakula / Bramfelder Kulturladens Projekte und arbeitet freiberuflich als Literaturkritiker, -wissenschaftler und -vermittler.

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