Das Bürgerhaus Wilhelmsburg hofft auf einen goldenen Herbst für Veranstaltungen im Freien und setzt auf kreative Lösungen im Vermietungsgeschäft, um Verluste einzugrenzen. Finanziell wird sich dann zum Jahresende zeigen, wie tief das Loch ist, das Corona gerissen hat, berichtet Bürgerhaus-Vorständin Katja Scheer.
AUTORIN: KATJA SCHEER
Das Bürgerhaus Wilhelmsburg ist nach der Corona-bedingten Schließung fast nahtlos in die seit Juli andauernde planmäßige sanierungsbedingte Schließung gerutscht. Dazwischen lagen wenige Wochen, in denen wir theoretisch hätten öffnen können, die Allgemeinverfügung Ende Mai kam aber zu kurzfristig: Der Großteil – externer wie interner Veranstaltungen – war für Juni bereits abgesagt, respektive in Innenhöfe oder gleich ins Netz verlagert. Im Juni fand also nur eine Handvoll von Gruppen und Veranstaltungen im Haus statt.
Zwischen Sommerpause, Kurzarbeit und Sanierung haben wir uns dann also mit unserem Schutzkonzept beschäftigt: Passten einzelne Formate und Termine den aktuellen Anforderungen an. Vor allem für unseren Tagungsbetrieb war es herausfordernd, jede Veranstaltung, die noch in der Vor-Corona-Zeit für Herbst gebucht wurde, auf Machbarkeit zu prüfen: Eine ursprünglich mit 450 Personen geplante Betriebsversammlung in unserem Großen Saal, wird jetzt zum Beispiel damit konfrontiert, dass wir nur noch Raum für knapp 170 Personen in beiden Sälen anbieten können.
Eine Herausforderung der wir uns stellen. Denn als wir Ende August den (Bau)staub von unseren Schultern klopften und unsere (neuen) Türen für Gäste öffneten, waren diese fast fünf Monate verschlossen. Schon ein krass langer Zeitraum für ein Haus, das sich als Ort der Begegnung versteht. Zu lang.
Wir vertrauen erstmal auf den goldenen Hamburger Herbst… und verlegen „Geh aus mein Herz“, ein Singangebot für ältere Menschen, in unsere neu gestalteten Außenanlagen, die Session der Weltkapelle und der Musikworkshop MozaikSounds finden im benachbarten Inselpark statt. Der SonntagsPlatz für Familien wird mit verändertem Platzangebot und Anmeldesystem arbeiten. Die oben genannte Betriebsversammlung kann auch einfach drei Mal hintereinander stattfinden. Mit Zwischenreinigung versteht sich. Und auch bei uns sind hybride Veranstaltungen mit Präsenz- und Streamingangebot möglich.
Aber machen wir uns nichts vor: Das russische Tourneetheater, das mit 350 zahlenden Gästen kalkuliert hat, wird nur schwer mit den aktuellen Vorgaben kalkulieren können. Und auch den im März abgesagten Sintitag werden wir im September nicht wie geplant nachholen. Zu hoch ist das wirtschaftliche Risiko, welches mit verringerten Kapazitäten verbunden ist.
Und natürlich schauen auch wir auf aktuelle Fallzahlen und kommende neue Allgemeinverfügungen: Wie werden die Voraussetzungen im Herbst sein? Müssen wir alles wieder von vorne planen?
Es wird also eine vorsichtige Öffnung sein: Mit Demut vor der Verantwortung für die Gesundheit für uns alle. Mit dem starken Wunsch, endlich wieder Leben ins Haus zu holen und in den Austausch mit unserer Nachbarschaft und unseren Gästen zu kommen. Aber auch schlichtweg aus wirtschaftlicher Not: Für das Bürgerhaus Wilhelmsburg sind die Einnahmen aus dem täglichen Vermietungsgeschäft in den vergangenen Jahren gleichermaßen existentielle wie verlässliche Eigenmittel geworden. Noch ist für uns nicht geklärt, ob Einnahmenverluste im unteren sechsstelligen Bereich aus der Zeit der Corona-Schließung über weitere Programme und Hilfen jenseits von Kurzarbeit und Schutzschirm kompensiert werden können.
Wir sind fest gewillt unseren Beitrag dafür zu leisten, weitere Verluste, auch mit Corona-Einschränkungen, so gering wie möglich zu halten. Aber wir werden doch erst im Dezember so richtig wissen, wie das funktioniert hat.
Bis dahin braucht es viel Geduld, Kreativität, Flexibilität und Achtsamkeit im Umgang miteinander. Rückwärts, seitwärts, vorwärts in die Wiederöffnung: Viel Erfolg!