Jedes Jahr neue kreative Ideen, Projekte und Veranstaltungen – dafür steht die altonale auch in Zeiten der Pandemie. Deshalb ist keine altonale wie die letzte. Mit ihrem diesjährigen Leitthema „Systemrelevanz“ haben sich die Festival-Macher*innen ganz besonders damit auseinandergesetzt, welche Rolle die Kultur eigentlich im Leben und in der Gesellschaft spielt.
Autorin: Daniela Scherbring
Systemrelevanz – ein Begriff, der alles andere als einfach ist. Und doch ist das Thema so aktuell und facettenreich wie kaum ein anderes. Viele Veranstaltungen des Festivals setzten sich auf sehr unterschiedliche Art und Weise damit auseinander. So zum Beispiel der Kunstpfad „Innehalten“ im Park um die Asklepiosklinik Altona: Portrait-Fahnen wiesen den Weg vom Krankenhaus bis zum See und luden zu einem Spaziergang durch den Park ein. Die Künstlerinnen Suse Bohse und Anja Schulz haben eine besondere Porträtserie von den Menschen gemacht, die hier arbeiten und sich durch ihre Tätigkeit im Zentrum der Corona-Krise befinden. Alle wurden sichtbar gemacht: von den Pflegeteams bis zur Ärzteschaft, von den Reinigungskräften bis zur Verwaltung. Darüber hinaus wurden die Porträtierten nach ihren Wünschen und Gedanken gefragt, wenn sie an die Zeit nach der Krise denken. Entstanden ist ein berührendes Projekt, das die Menschen hinter der Maske zeigt und uns selbst zum Innehalten bringt.
Diese Idee haben Suse Bohse und Anja Schulz auf der altonale weiterentwickelt. „Systemrelevant. Das bin ich.“ heißt die Ausstellung, die vom 2. bis 19. September 2021 im Altonaer Museum gezeigt wurde. Sie luden Kunst- und Kulturschaffende zu einem Austausch in Wort und Bild ein. Bei diesen Begegnungen stand die Frage im Mittelpunkt, wie es den Porträtierten künstlerisch in der Pandemie ergangen ist.
Bemerkenswert war auch die Aktion des Büros für Wunsch-Werte „(Er-)Zählt Ottensen“. Offizielle Statistiken und Zahlen zeichnen ein Bild von Ottensen, aber deckt sich dieses Bild damit, wie die Bewohner*innen den Stadtteil sehen? Das Künstler*innenkollektiv Das Explorativ begab sich auf die Suche danach, wie sich Ottensen anders (er)zählen lässt. Für sechs Wochen öffneten sie das „Büro für Wunsch-Werte“. Hier konnten Bewohner*innen ihre Zahl des Tages abgeben und über Zahlen zu Ottensen sprechen: „Orte, an denen Musik erklingt“, „Kinder, die alleine unterwegs sind“, „Menschen, die zurückgrüßen“. Über den gesamten Zeitraum wuchs so eine Ausstellung kreativer Stadtteilerzählungen und Visionen für Altona.
In Krisen zeigt sich ja angeblich der wahre Charakter. Noch nie hat das Festival so viel Zuspruch und Partizipation erfahren wie in den letzten Monaten. Jeder Versuch, Kultur zu leben und mitzugestalten, wurde begeistert mit- und weitergetragen, sei es nur digital, hybrid oder „in echt“. Das hat dem Team gezeigt: Ja, die Menschen wollen einen Teil ihres alten Lebens zurück – aber sie wollen auch die neuen Erfahrungen zur Frage „Was ist wirklich wichtig für unser Zusammenleben?“ und die positiven Entwicklungen und Projekte, die aus der Krise gewachsen sind, weiterdenken und mitnehmen. Und sie wollen – mehr denn je – den Begriff „System“ weglassen und die für unsere Gesellschaft insgesamt relevante Rolle der Kultur mit Veranstaltungen, Begegnungen und Leben füllen.
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