Wie Stadtteilkulturzentren Storytelling nutzen können

Storytelling ist in den letzten Jahren zu einem Megatrend geworden und spielt auch in der Kommunikation von Non Profit Organisationen eine immer größere Rolle: Geschichten fallen auf und wirken direkter und nachhaltiger als Fakten und Sachargumente. Dies gilt umso mehr für Organisationen mit geringen Ressourcen.

Autorin: Jaana Rasmussen

Jaana Rasmussen bei ihrem Online-Vortrag auf dem Ratschlag, Screenshot: STADTKULTUR HAMBURG

Das Bedürfnis Geschichten zu erzählen existiert schon so lange wie die Menschheit selbst. Uns Menschen ist es ein ureigenes Bedürfnis, elementare Erlebnisse und Erinnerungen in Geschichten zu verewigen und an unsere Nachfahren weiterzugeben. Höhlenmalereien aus der Steinzeit beweisen das. Als Kinder haben wir die Welt durch Geschichten kennen gelernt: Wir haben Märchen und Liedern gelauscht. Griechische Götter- und Heldensagen, Grimms Märchen und Geschichten aus der Bibel haben wir tief in unserem Gedächtnis gespeichert und dabei unbemerkt Werte und Grundmuster erlernt, durch die wir im Erwachsenenalter die Welt betrachten. Wir haben gelernt, dass das Leben ein Abenteuer ist und dass jeder Mensch Herausforderungen überwinden muss, um sich weiterzuentwickeln und Probleme zu lösen. Die Geschichten haben sich in tausenden von Jahren nicht verändert, wohl aber die Art und Wiese, wie wir sie erzählen: Während unsere steinzeitlichen Vorfahren ihre Erlebnisse der Jagd und Nahrungssuche auf Höhlenwände gemalt haben, teilen wir heute Bilder und Videos unseres Lebens auf Instragram und Facebook.

Im strategischen Storytelling geht es immer um die menschlichen Grundbedürfnisse: Wir Menschen sind „hardwired for connection“, wie die Storytellerin und Professorin an der University of Houston Brené Brown schreibt. Die Verbindung zu anderen Menschen ist für uns notwendig, um glücklich zu sein. Storytelling und Storylistening verbindet Menschen miteinander, es werden die gleichen Gehirnregionen angeregt und der Hormonspiegel von Oxytocin im Blut steigt messbar. Oxytocin ist als das „Kuschelhormon“ bekannt, es sorgt dafür, dass wir in emotionale Verbindung mit anderen empfinden. Im Gegensatz zur Kommunikation von Inhalten durch Zahlen, Daten und Fakten eignen sich durch die hormonelle Wirkung Stories dazu, Daten im Kontext zu vermitteln. Stories sind gehirngerechte Kommunikation. Eine weitere Wirkweise sind die Archetypen nach J.G. Jung. Archetypen repräsentieren im Unterbewusstsein verankerte Bilder von bestimmten prototypischen Figuren, in denen sich das Publikum sofort wiedererkennt – „der Weise, der Narr, der Liebende, der Rebell. Archetypen lassen sich auf Menschen übertragen, auf Unternehmen, auf Marken“, schreibt der Storytelling-Experte Thomas Pyczak. Strategisches Storytelling nutzt diese unbewusst gespeicherten Muster gezielt, um Menschen zum Denken, Fühlen und Handeln zu bewegen. Sei es, eine Kauf- oder Wahlentscheidung zu treffen, sich ehrenamtlich zu engagieren oder Bindung zu einer Organisation aufzubauen als Besucher*in oder Spender*in.

Die Zutaten zu einer guten Story, Screenshot: STADTKULTUR HAMBURG

Storytelling steht nicht in Konkurrenz zu anderen Arten der Kommunikation, sondern fügt sich organisch ein. Jede Organisation besteht auf hunderten von Stories, man muss sie „nur“ sammeln und für die interne und externe Kommunikation aufbereiten. Zwei Basis-Stories braucht jede Organisation: Die „Wer bin ich“ und die „Wer sind wir“-Story definieren das „Warum“ der Organisation. Orientierung für die beiden Basis-Stories bieten folgende Fragen. Die „wer bin ich“ Story: Was macht mich aus als Mensch? Für welche Werte stehe ich? Warum arbeite ich hier? Was begeistert mich an meiner Arbeit? Die „wer sind wir“ Story: Existiert eine Gründungsstory der Organisation? Welche ist das? Wofür steht unser Zentrum – was ist der Markenkern? Welchem Archetyp entsprechen wir? Die Beantwortung der Fragen hilft beim Entwickeln einer Basis-Narrative, die der Kommunikation mit diversen Stakeholdern dient –Besucher*innen, Spender*innen, Politiker*innen.

Der erste Schritt zum erfolgreichen Storytelling ist aktives Zuhören und Erinnern. Legen sie sich ein Story-Archiv an und sammeln sie Erlebnisse in der Einrichtung, die sich emotional besonders eingeprägt haben. Fragen sie Mitarbeitende, Besucher*innen und langjährige Partner*innen nach Geschichten und nutzen sie sie. Testen sie die Stories an Kolleg*innen und auch an Unbeteiligten. Wählen sie bewusst die Erzählperspektive, die Protagonist*innen und die Herausforderung, die es zu überwinden gilt. Storytelling ist eine uralte und zutiefst menschliche Methode, es zielführend anzuwenden, verlangt allerdings nach strategischem Vorgehen und auch dem Mut, sich als Mensch zu zeigen und authentisch zu erzählen.

Jana Rasmussen
Jana Rasmussen

ist Storydeveloper, Transformationsberaterin und Agile Coach sowie langjährige Begleiterin in den Qualifizierungsprogrammen von STADTKULTUR HAMBURG.

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