Stephan von Löwis of Menar hat 1987 sein erstes Kinder-Festival in Hamburg veranstaltet und ein Jahr später den Verein KinderKinder gegründet, der neben dem internationalen Festival „KinderKinder“ unter anderem auch die Musikfeste „laut und luise“ und „klangfest“ veranstaltet. Nehle Mallasch startete im Februar 2019 bei KinderKinder als stellvertretende Geschäftsführerin – direkt mit der Perspektive, den Posten von Stephan in wenigen Jahren zu übernehmen – und hat dann recht spontan schon im April 2021 die künstlerische Leitung und Geschäftsführung angetreten. Trotzdem ist der Wechsel ein allmählicher Prozess, da Stephan noch in Teilzeit aktiv ist.
Stephan, wie habt ihr bei KinderKinder den Wechsel vorbereitet?
STEPHAN VON LÖWIS OF MENAR: Im Grunde wurde der Wechsel seit fast zwei Jahrzehnten vorbereitet. Es gab einige Versuche, eine starke Persönlichkeit zu finden, die den Laden später übernehmen könnte. Unterschiedlichste Gründe führten zum Scheitern. Ein unrealistisches, strukturelles Konzept von meiner Seite, zu hohe Gehaltsvorstellungen und vieles mehr. Nehle hat zunächst zwei Jahre als stellvertretende Geschäftsführerin gearbeitet – wir sind bei KinderKinder zu dritt und arbeiten partnerschaftlich als Team zusammen – und ich freue mich, dass sie sich der Herausforderung stellt.
Wann hast du eigentlich mit KinderKinder angefangen?
Ich war schon länger im Kulturbereich aktiv, da schlugen mir Kollegen vor, ein Westberliner Kinderfestival nach Hamburg zu holen. Das machte ich, ohne zu ahnen, dass es mein Leben verändern würde. So fand 1987 das erste Kinder-Festival statt. Überzeugt von der gesellschaftlichen Notwendigkeit, Kindern Kunst und Kultur näherzubringen, gründete ich im darauffolgenden Jahr den Verein KinderKinder als Träger für das Projekt.
Du bist noch weiter bei KinderKinder aktiv. Wann planst du „endgültig zu gehen“?
Keine Ahnung, solange es Spaß macht und ich gebraucht werde, bin ich da. Ich entwickele gerade eine Produktion mit drei großartigen Künstlerinnen: „Geschöpft“. Premiere ist Ende November bei unserem Festival. Ich hoffe, es wird wunderbar.
Dir fällt das Loslassen aber schwer, oder?
Ich freue mich, dass das, was ich mit KinderKinder aufgebaut habe, in die Zukunft geführt wird. Dass vieles deutlich anders wird, ist richtig, aber gewöhnungsbedürftig.
Was ist deine größte Sorge für die Zukunft des Vereins?
KinderKinder hat bis heute keine Basisfinanzierung und der Kulturbehörden-Beitrag zur Förderung der meisten jährlich wiederkehrenden Projekte ist seit Jahren gleichgeblieben. Aber alles wird bekanntlich teurer, sodass mehr und mehr Geld von Stiftungen und anderen Geldgebern eingeworben werden muss. Wie lange geht das gut?
Nehle, was hast du vor KinderKinder gemacht?
NEHLE MALLASCH: Nach der Schule habe ich zuerst als Musikredakteurin für eine Hamburger Fernsehagentur, Hamburger Stadtmagazine und 3sat als freie Autorin gearbeitet. Dann habe ich in Freiburg Internationales Kulturmanagement studiert und später zunächst als Pressereferentin, dann als Projekt- und Produktionsleitung bei der HipHop Academy gearbeitet. Freiberuflich habe ich am Thalia Theater den Jugendperformance Wettbewerb „unart“ über mehr als zehn Jahre als Projektleitung betreut und weiterentwickelt. Außerdem habe ich eigene Theatergruppen geleitet und dramaturgische Projekte betreut. Für Proquartier habe ich zum Beispiel die „Live im Quartier“-Reihen kuratiert.
Wie habt ihr bei KinderKinder den Wechsel vorbereitet?
Im ersten Jahr habe ich mich einfach eingebracht, wo ich konnte, und wir haben uns als Dreier-Team so aufgeteilt, wie es uns sinnvoll erschien. Durch die Corona-Pandemie kam dann aber schnell alles ganz anders als gedacht und wir haben auf einmal alle neue Projekte entwickeln müssen oder dürfen, die sich von unserer sonstigen Jahresdramaturgie unterschieden haben. Mir ist immer gesagt worden, in zwei bis vier Jahren würde ich perspektivisch die Geschäftsführung übernehmen. Dass der Wechsel dann schon nach zwei Jahren kam, war recht spontan. Da Stephan nur in Teilzeit in den Ruhestand gegangen ist und noch arbeitet, ist der Wechsel aber eher ein Prozess als ein plötzlicher Cut.
Hast du Tipps oder kannst du Methoden für einen gelungenen Generationswechsel empfehlen?
Die Idee, ein bis zwei Jahre gemeinsam zu arbeiten, finde ich empfehlenswert. Ich verstehe mich zum Glück sehr gut mit Stephan und KinderKinder ist sein Baby: Er hat den Verein gegründet, aufgebaut und die unterschiedlichen Veranstaltungsformate sehr erfolgreich fest in der Hamburger Kulturszene verankert. Ich kann also gut verstehen, dass er noch nicht so ganz loslassen mag. Dennoch: Ich habe mir vorgenommen, wenn es bei mir soweit ist, den Weg für jemand Neues frei zu machen und nicht noch ein bisschen oder halb dabei zu bleiben. Das ist letzten Endes sicherlich der einfachere Weg.
Was muss sich ändern in der Stadtteilkultur, damit sie ein attraktives Arbeitsfeld für Menschen wie dich ist und bleibt?
Inhaltlich ist die Stadtteilkultur ein sehr attraktives Arbeitsfeld, aber: Eine stabilere Finanzierung wäre toll. Und auch ein Lohn, der ein Leben in einer Stadt wie Hamburg möglich macht. Von meinem Lohn als Geschäftsführerin kann ich zum Beispiel gar nicht leben, ich arbeite nebenbei immer noch freiberuflich und komme so gerade eben hin. Allerdings soll das nicht jammernd klingen – dafür habe ich einen Job, der sehr viel Spaß macht – das ist ja auch viel wert.
Nehle und Stephan, danke für die Beantwortung unserer Fragen.
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