Führung in Krisen

Haben wir bisher in der „VUCA-Welt“ gelebt, die durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Widersprüchlichkeit geprägt war, sind wir nun in der „BANI-Zeit“ angekommen: brüchig, angsterfüllt, non-linear und unbegreiflich. Alte Konzepte von Organisation und Führung funktionieren in dieser von Krisen und Veränderung geprägten Welt nicht mehr.

Autor: Dr. Tobias Glück

Die Session „Führung in Krisen“ auf dem Ratschlag 2022, Screenshot: STADTKULTUR HAMBURG

Wie kann Führung in diesen Zeiten gelingen, um Mitarbeitende, sich selbst und die Organisation zu schützen und vielleicht auch wachsen zu lassen? Wie immer und noch viel mehr zählt die Haltung, die allem voran geprägt ist von Akzeptanz, Mitgefühl für sich selbst und andere und die Bereitschaft, zuzuhören. Nichts, was von heute auf morgen gelernt ist – aber lernbar, durch die Bereitschaft, eigene Herangehensweisen und Prägungen zu hinterfragen. Krisen lösen eine Achterbahn an Emotionen aus, die für Mitarbeitende unterschiedlich in Verlauf und Intensität sein können, je nachdem, was gelernte Muster und mentale Modelle zum Umgang mit Krisen bereithalten.

Um Mitarbeitende und sich selbst in Krisen und bei Einschnitten gut zu unterstützen, haben sich auch Prinzipien aus der Psychotraumatologie bewährt:

  • Ein Gefühl von Sicherheit, z.B. durch Aufzeigen: Was bleibt gleich, was verändert sich? Welche Strukturen und Routinen können wir anbieten?
  • Ruhe, um über Gefühle zu sprechen und zu erlauben, diese zu erleben.
  • Verbindung, durch das Teilen von Erfahrungen und Geschichten von Erlebnissen, aber auch
    Ängsten und Hoffnungen – ein „Du gehörst hierher“-Gefühl.
  • Wirksamkeit, durch Einbinden in Entscheidungen über neue Routinen und Abläufe, sowie durch das Bewusstmachen erfolgreich bewältigter Krisen und dadurch erlernter Ressourcen, Stärken und funktionierender Strategien.
  • Zuversicht: Welche Chancen und Möglichkeiten bieten sich? Was ist die Vision für die Zukunft?

Menschen unterscheiden sich auch darin, wie sie auf Herausforderungen reagieren: Fokussiere ich mich auf das Problem oder auf Lösungswege? Sehe ich meine Möglichkeiten beschränkt darauf, was ich als Ausstattung an Eigenschaften und Talenten mitbekommen habe, oder sehe ich es als Chance zu lernen und bin bereit, mich darauf einzulassen? „Noch kann ich es nicht, aber ich kann es lernen“ ist das Gebot der Stunde.

Um als Organisation in diese Haltung zu kommen, kann es hilfreich sein, sich auf die gemeinsamen Werte und Stärken zu besinnen, um Handlungswege abzuleiten. Es bedarf einer Vision, wie als Team mit der Herausforderung umgegangen werden soll, mit Fokus auf die beeinflussbaren Aspekte. Hierfür braucht es die Sicherheit, Probleme offen und ohne Angst vor negativen Konsequenzen ansprechen zu können, dass Fehler erlaubt sind und ich mich als Person authentisch und verletzlich zeigen darf und nicht den mahnenden oder moralischen Zeigefinger fürchten muss. Das erfordert von Führungskräften das Bewusstsein, welche Stärken in ihren Teams vorhanden sind und dass Menschen bei allen Unterschieden sehr ähnlich in ihrem Bedürfnis nach Akzeptanz, Sicherheit und Zugehörigkeit sind. Damit können diese Herausforderungen vielleicht nicht immer vollständig gemeistert, aber doch leichter bewältigt werden. 

Dr. Tobias Glück
Dr. Tobias Glück

ist Arbeits- und Organisationspsychologe mit Fokus auf gesunde Organisationen und Führung und praktiziert als Psychotherapeut und Psychologe.

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