„Der Klimawandel ist kein individuelles, technisches oder Umwelt-Problem. Er ist eine kulturelle Herausforderung mit Lösungen auf dem Niveau der sozialen Ordnung.“ Diese beiden Sätze, die der norwegische Psychologe Per Espen Stoknes 2015 notiert hat, sind Anlass für ein grundlegendes Umdenken. Wer über die Klimakrise spricht, wer Klimaschutz voranbringen möchte, sollte sich nicht auf technische Reformen fokussieren, sondern einen kulturellen Umbruch ins Auge fassen und dafür Menschen als Mitglieder sozialer Gemeinschaften ansprechen.
Autor: Christopher Schrader
Klimakommunikation muss deswegen ganz neue Wege beschreiten. Es genügt nicht, den Menschen geduldig immer wieder zu erklären, was die Klimaforschung längst eindeutig belegt: dass der Klimawandel alle lebenden Wesen einschließlich Homo sapiens bedroht. Und dass die Gefahr sich mit entschiedenem Handeln abwenden oder begrenzen lässt. Immer mehr und immer bessere Fakten zu liefern, hat eben nicht den Effekt, dass genügend Menschen Entscheidungen treffen und umsetzen, die uns aus dem Minenfeld der Erderhitzung herausführen. Die eigentliche Frage ist, wie wir trotzdem vom längst hinreichend verbreiteten Wissen zum Handeln kommen.
Die Antwort der Klimakommunikation lautet: Wir müssen dem Wissen den Weg dorthin bahnen, wo es sinnvolle Entscheidungen wirklich beeinflussen kann. Das stützt sich unter anderem auf die Definition von Kommunikation des Hirnforschers Gerhard Roth, der sie als „wechselseitige Konstruktion von Bedeutung“ beschrieb. Erst wenn die Fakten der Klimakrise und das Wissen um Handlungsoptionen Bedeutung bekommen, werden Menschen beginnen zu handeln.
Diese Bedeutung hat vor allem emotionale und soziale Komponenten. Schließlich sind mit den vertrauten Verhaltensweisen des Lebens in einer Wohlstandsgesellschaft starke Gefühle verbunden. Hinzu kommen oft unausgesprochene Vorstellungen von einem „guten Leben“, mit Gewohnheiten verknüpfte Elemente der eigenen Identität, bange Blicke auf gesellschaftliche Normen sowie Sorgen, ob man grundsätzliche Veränderungen überhaupt bewältigen könne. Erklärungen der Ursachen und Folgen des Klimawandels allein bewirken dagegen wenig, zumal schon das Aufnehmen und Verarbeiten der Informationen durch strenge Filter begrenzt wird: Menschen bilden sich oft ein soziales Urteil darüber, wem sie zustimmen, und kein wissenschaftliches oder rationales Urteil, was sie für wahr halten.
Die allgegenwärtige Desinformation in der Klimadebatte verschärft die Situation: Sie ist für viele insgeheim attraktiv, weil sie ein Verharren in alten Gewohnheiten zu rechtfertigen scheint und/oder besonders lautstark von Stimmen verbreitet wird, denen man vertraut. Dabei wächst die Gefahr, dass die Meinung zum Klimawandel und zur Klimapolitik für alle Seiten zu einer Art Mitgliedsausweis ihrer sozialen Gruppe wird. Das ließ sich insbesondere in Staaten wie den USA und Australien beobachten, wo Vertreter*innen einer marktradikalen Vorstellung von der – möglichst kleinen – Rolle des Staates ihre Position sehr laut verbreiteten und dafür viel Geld von Öl-Firmen und Öl-Milliardären bekamen. Ebenso lautstarker Widerspruch aus der Wissenschaft nährte den Eindruck, dass das Thema umstritten und die beiden Seiten etwa gleich groß seien.
Das stimmte aber in Deutschland noch nie und stimmt auch in den USA nicht mehr: Längst nehmen große Mehrheiten die Gefahren durch den Klimawandel sehr ernst und möchten dagegen vorgehen. Viele wissen aber nicht wie und trauen sich auch kaum, in der aufgeheizten Situation ihre Stimme zu erheben: So wird sich die schweigende Mehrheit ihrer Kraft überhaupt nicht bewusst. Für die Klimakommunikation ist daher die erste Aufgabe, das Gespräch in Gang zu bringen. Sie beruft sich auf eine inzwischen breite Basis von Forschungsergebnissen, wenn sie Folgendes vorschlägt:
- Klimakommunikation muss an den Werten der Menschen anknüpfen, die sie erreichen will.
- Die Gefühle, Normen und Erwartungen der Zielgruppe sind zentrale Anknüpfungspunkte.
- Geschichten zu erzählen, statt Statistiken und Grafiken zu zeigen, kann helfen, Gräben zu überwinden.
- In der öffentlichen Debatte gilt es, auf das sogenannte Framing zu achten, also die Assoziationen und Bedeutungen, die Menschen aus Wörtern heraushören, obwohl sie gar nicht ausgesprochen wurden.
Positive Zukunftsbilder und aus dem Weg geräumte Hindernisse erlauben es vielen Menschen, sich mit ihren Entscheidungen als Teil einer Gemeinschaft zu verstehen und sie auf der Basis eigener altruistischer Werte und Ziele treffen: die Lebensbedingungen kommender Generationen wahren, die Natur und Artenvielfalt schützen, die zutiefst ungerechte Situation beenden, dass Länder des globalen Südens am meisten unter der Klimakrise leiden, obwohl sie am wenigsten dazu beigetragen haben.
Dabei kann man sich an der Devise des Psychotherapeuten Steve de Shazer orientieren: „Reden über Probleme lässt Probleme wachsen. Reden über Lösungen lässt Lösungen wachsen.“
Christopher Schrader
hat nach einem Physik-Studium als Journalist jahrzehntelang über den Klimawandel und seine Folgen berichtet. Seit einigen Jahren konzentriert er sich auf die sozialen, sozialwissenschaftlichen und kommunikativen Aspekte der Debatte und hat unter anderem ein Handbuch zur Klimakommunikation geschrieben.