GoVote – eine Kampagne aus den Mitten der Gesellschaft

Was, wenn Demokratie nicht nur durch die Entschlossenheit des Rechtsstaats, aufrechte Haltung oder politische Appelle geschützt werden kann, sondern auch durch die kreative Vielfalt einer ganzen Stadt lebendig und erfahrbar gemacht wird? Was, wenn mal nicht die, die gewählt werden wollen, sondern die, die wählen wollen, für die Sache werben? Was, wenn zu dem Imperativ „Geh wählen!“ ein freundliches „Hey, und lad doch mal die Menschen um dich herum ein, es auch zu tun.“ dazu kommt. Und noch jede Menge Kultur, Kommunikation und gelegentlich ein Lächeln als Gesprächsanlass.

Autor*innen: Ansgar Wimmer und Joanne Sonnemäker

Kampagnen-Kick-Off auf der Rickmer Rickmers, Foto: Gilda Fernandez

Das umreißt im Wesentlichen die Idee von GoVote, einer Ad-hoc-Kampagne, die im Nachgang zu der beeindrucken­den Großdemonstration in Hamburg am 19. Januar 2024 entstanden ist und aus der Alfred Toepfer Stiftung, der Lieselotte Klein Stiftung, der Kommunikationsagentur PUSHH wie auch der Elbphilharmonie Hamburg heraus in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit knapp einhundert Kooperationspartner*in­nen entwickelt worden ist. Alle Beteiligte hat eines geeint: Der Wunsch, möglichst viele Menschen zur Europa- und Bezirkswahl am 9. Juni 2024 zum Wählen zu bewegen – und möglichst viele Hamburger*innen davon zu überzeugen, auch mit Dritten über das Wählen zu sprechen. Weil eine niedrige Wahlbeteiligung die Extreme stärkt.

Kernziel von GoVote war es, in der Woche vor den Wahlen und in Eigenverantwortung der jeweiligen Institutionen möglichst viele attraktive Kulturveranstaltungen oder Aktionen anzubieten, die thematisch oder kommunikativ eine Brücke zum Wählen und der Europa- und Bezirkswahl schaffen. Dabei haben sich alle die Aufgabe gestellt, nicht nur in den eigenen Milieus, sondern auch außerhalb ihrer „Blase“ zu wirken. Highlights waren ein Abend im Thalia Theater am 6. Juni sowie ein Konzert in der Elbphilharmonie am 3. Juni 2024, zu dem mit Unterstützung der BürgerStiftung Hamburg sowie des Stiftungsbüros Hamburg nach einer systematischen Recherche Studierender des Instituts für Kultur und Medienmanagement 1000 Karten gezielt an Menschen aus über 90 Vereinen und Verbänden verteilt wurden. Auch die Stadtteilkultur war mit einem Redebeitrag durch Manuel Rakers, Geschäftsführer der MOTTE, an dem Abend vertreten.

Das GoVote-Konzert in der Elbphilharmonie, Foto: Sebastian Madej

Die Kampagne machte konsequent auf die bevorstehende Wahl aufmerksam, indem sie Kultur in allen Bereichen der Stadt einsetzte: in Stadtteilzentren, Kirchen und sogar auf der Straße, wie bei einer Parade der Techno Marching Band Meute im Osdorfer Born. Kultur wurde dabei breit verstanden, als gesellschaftliches Lagerfeuer, an dem Menschen zusammenkommen, ins Gespräch und auch in den Diskurs gehen.

Die Stadtteilkultur erwies sich hierbei als besonders bedeutende Partnerin. In Zusammenarbeit mit STADTKULTUR HAMBURG sowie dank der tatkräftigen Unterstützung der Dürr-Stiftung, Rating Stiftung und Gabriele Fink Stiftung wurde ein Förderfonds eingerichtet, der speziell auf die Bedürfnisse der Stadtteilkultur ausgerichtet war und gezielt Aktivitäten in der Aktionswoche förderte. Unabhängig von dieser Förderung engagierte sich die Soziokultur ebenso umfassend. Dank der Initiative aller Beteiligten konnte GoVote weit über den Stadtkern hinaus wirken. Ob in dialogischen, künstlerischen oder partizipativen Formaten – stets widmete man sich dem Thema Demokratie gemeinschaftlich mit der Stadtgesellschaft.

Meute in Osdorf, Foto: Ansgar Wimmer

Ebenfalls durch die Kampagne zog sich der Wunsch, möglichst viele Gelegenheiten für Kommunikation über das Wählen gehen zu schaffen. Von dem Aushang eines Großplakates an der Rickmer Rickmers zum Hafengeburtstag („Damit die Demokratie nicht über Bord geht“), Plakaten an Getränkelastern der Firma Kirchhoff & Söhne oder den historischen Museen Hamburg, in den Displays der Hamburger BUDNI Filialen, an den Aushängen der Elbkindergärten, durch Mitarbeiterinformationen, Anzeigetafeln in der U-Bahn, am Eingangsdisplay der Elbphilharmonie oder per Flugzeugbanner über der Demo – wann ­immer möglich, galt es, auf das Wählengehen zu sprechen zu kommen. Ebenfalls haben verschiedene Kommunikator*innen via LinkedIn, Instagram oder auf anderen Social-Media-Kanälen über die Kampagne berichtet. Das Konzert in der Elbphilharmonie, das sich bewusst an Erstwählende richtete, wurde live gestreamt und war anschließend für den restlichen Aktions­zeitraum online verfügbar. Kultur und Kommunikation haben unter anderem Presseberichterstattungen in Abendblatt, Morgenpost, Elbvertiefung der ZEIT, NDR 90,3, NDR Hamburg Journal, der Süddeutschen Zeitung sowie verschiedenen Hamburg bezogenen Podcasts generiert.

Schließlich hat sich GoVote als nachdrücklich überparteiliche Kampagne „aus den Mitten“ einer vielfältigen Zivilgesellschaft verstanden, die keine Wahlempfehlung ausspricht und jenseits der Themen Europa und – sehr nachdrücklich – Demokratie, sich auch nicht zu weiteren Fragen positioniert. So hat sich GoVote als maximal anschlussfähig innerhalb des demokratischen Spektrums erwiesen. Dies hat insbesondere eine Rolle bei dem Aufruf zu einer Demonstration unter dem Titel: „Rechtsextremismus stoppen – Demokratie verteidigen – ­Wählen gehen“ am 7. Juni 2024 gespielt, mit der auf die bevorstehende Wahl hingewiesen wurde. Mitveranstalter der Demon­stration, die letztlich ca. 30.000 Menschen mobilisiert hat, waren u. a. der DGB, die Evangelische Nordkirche, Fridays for Future, Campact, Klare Kante gegen Rechts, Unternehmer ohne Grenzen sowie weitere Organisationen.

Fazit: Was HAT GoVote gebracht?

Wirkungsforschung hinter derartigen Kampagnen ist sicherlich schwierig, auch kann das bundesweite Wahlergebnis engagierte Demokrat*innen nicht glücklich zurücklassen. Und doch: Eine Analyse der Veränderung in der Wahlbeteiligung deutscher Großstädte zeigt für Hamburg einen deutlich überdurchschnittlichen Anstieg von 3,8 Prozent, immerhin 1,4 Prozentpunkte vor der nächsten Großstadt Stuttgart. Sicherlich wäre es vermessen, diesen Effekt GoVote allein zuzuschreiben. Aber es bleibt die Hoffnung, dass das gute Zusammenwirken, der tätige Akt des „demokratischen Zusammenrückens“ einen kleinen Beitrag dazu geleistet hat.

KONTAKT
Alfred Toepfer Stiftung F.V.S.
Georgsplatz 10 · 20099 Hamburg

www.toepfer-stiftung.de

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