Volkslieder sind für alle da

Einmal im Jahr trifft sich in Sasel der Salia Männnerchor mit Interessierten zum gemeinsamen Singen unter der Schubert-Linde auf dem Saseler Marktplatz. 1928 wurde der Lindenbaum zu Ehren Franz Schuberts gepflanzt. Seitdem wird dort gesungen. Eine fast 100-jährige Tradition geprägt von ehrenamtlichem Engagement, viel Freude und schöner Volksliedauswahl. Dem Sasel-Haus scheint genau jetzt der richtige Moment zu sein, diese Tradition zu pflegen. Warum?

Autorin: Carmen Below

Singen unter der Schubert-Linde 2024, Foto: Sasel-Haus

Unter der Linde trafen sich die Dorfbewohner*innen früher, neben dem gemeinsamen Singen, um Recht zu sprechen und sich zu versammeln bei wichtigen Kundgebungen. Das „Singen unter der Schubert-Linde“ ist keine politische Veranstaltung. Aber jede kulturelle Veranstaltung strahlt in unsere Gesellschaft aus. Das gemeinsame Singen steht für Freiheit, Gemeinsamkeit, Gerechtigkeit und Versammlungsfreiheit. Wichtige Werte in Zeiten, in denen extreme Kräfte wieder mehr Zulauf haben.

Unsere alten Volkslieder sind ein wertvoller Teil unseres kulturellen Erbes, unserer gemeinsamen Geschichte und Identität. Sie erzählen Geschichten von Liebe, Leid und Hoffnung und spiegeln Erfahrungen und Träume wider. Sie verbinden uns über Generationen hinweg und erinnern uns daran, dass wir gemeinsam stärker sind. Und sie erinnern uns daran, dass es unsere Haltung ist, die zählt.

Ein sehr bekanntes Lied aus der Schubert-Zeit ist „Die Gedanken sind frei“ mit einem Text, der erstmals 1780 auf Flugblättern erschien und während Franz Schuberts Lebzeiten seine Melodie erhielt. Ein Lied, das tief in der deutschen Kultur verwurzelt ist. Der Vater Sophie Scholls, Robert Scholl, wurde Anfang August 1942 wegen hitlerkritischer Äußerungen inhaftiert. Sophie Scholl stellte sich abends an die Gefängnismauer und spielte ihrem dort einsitzenden Vater auf der Blockflöte die Melodie vor.

1989 wurde während der friedlichen Revolution in der DDR das Lied von Mitgliedern der Dresdner Staatskapelle auf dem Theaterplatz in Dresden gespielt und von tausenden Demon­strant*innen mitgesungen. Es war ein ergreifender Höhepunkt der damaligen historischen Ereignisse und wurde zu einem symbolischen Moment der Einheit, des gestärkten Mutes und des Widerstands gegen die Unterdrückung.

Es zeigt, wie modern Volkslieder in den richtigen Kontext gesetzt sind und ist der beste Beweis dafür, dass Traditionen wie „deutsches Liedgut“ nicht den Populisten überlassen ­werden dürfen.

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Sasel-Haus e.V.
Saseler Parkweg 3 · 22393 Hamburg

www.sasel-haus.de

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