Die Neue Rechte zielt auf eine Transformation der gesellschaftlichen Wertvorstellungen ab. Dem Kulturbereich kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.
Autorin: Carina Book
Die alte Rechte ist tot. Sie hat es wohl verdient“, stellte einst der rechte Vordenker Alain de Benoist fest. In seiner Schrift „Kulturrevolution von rechts“ legte er 1985 dar, dass die Studentenbewegung der 1968er in Deutschland den „Kampf um die Köpfe“ geführt und dadurch eine „totalitäre kulturelle Hegemonie“ erlangt habe. Die Herausforderung der Neuen Rechten sei nun, diese kulturelle Hegemonie selber zu erkämpfen.
Auf die Frage, wie eine Neue Rechte aussehen müsse, begann die intellektuelle Rechte in den siebziger Jahren eine Antwort zu suchen. Armin Mohler erfand in seiner Dissertation den Sammelbegriff der „Konservativen Revolution“. Das Ziel war es, extrem rechte Positionen aus dem Kontext des Nationalsozialismus herauszulösen, gewissermaßen „rein“ zu waschen und ihnen einen intellektuellen Anstrich zu geben.
Andere begannen, sich bei Theorie und Praxis der Linken zu bedienen. So schickte sich Benoist beispielsweise an, die Überlegungen des italienischen Kommunisten Antonio Gramsci über Hegemonie und gesellschaftliche Kräfteverhältnisse aus ihrem Kontext zu reißen und aus ihnen eine instrumentelle Strategie zur Machterlangung zu machen.
Die Neuen Rechten nennen diese Strategie „Metapolitik“ und zielen auf eine kontinuierliche Transformation der gesellschaftlichen Wertvorstellungen ab. Oberste Priorität hat die Erlangung der Meinungsführerschaft. Erst danach könnten extrem rechte Parteien wirklich erfolgreich sein und das rechte Klima in Parlamentssitze und Regierungsverantwortung überführen.
Zentrales Kampffeld ist der Kulturbereich, weil er als „Befehls- und Ausgabestelle für die Werte und die Ideen“ verstanden wird, schrieb Benoist 1985. Die Zielsetzung sei die „Transformation der allgemeinen Vorstellungen (…), die mit einer langsamen Umformung der Geister gleichbedeutend ist“.
Beispielsweise die Identitären verstehen sich und ihren Aktivismus in diesem Geiste und sagen von sich selbst, sie seien eine metapolitische Gruppe. Den „vorpolitischen Raum“ wollen sie erobern, um die „kulturelle Hegemonie“ zu erringen. Die Alte Rechte hingegen habe Macht immer nur militärisch denken können. Das sei ein Fehler gewesen, den die Identitären nicht wiederholen wollen, schreiben sie in internen Papieren. Stattdessen konzentrieren sie sich beim Kampf gegen das behauptete totalitäre „Multikulti-Regime“ auf Aktionen auf der Straße und im Internet, wo sie einen „Infokrieg“ führen.
Wie sieht dieser Infokrieg aus und was sind ihre Waffen dabei? Welche Mittel im Infokrieg zur Anwendung kommen, zeigt sich am deutlichsten in den sozialen Netzwerken. Es geht den Identitären hier um mächtige Inszenierungen: Kleinstaktionen werden in Hochglanz aufbereitet, mit pathetischer Musik untermalt und als Videos in den sozialen Netzwerken verbreitet.
Beispielhaft ist die Inszenierung einer Aktion vor dem Bundesjustizministerium. Die Identitären nannten sie „Blockade“ und veröffentlichten ein bildgewaltiges Video. Die Botschaft: Die Identitären seien viele, sie seien mutig und entschlossen. Ein einstündiger Live-Mitschnitt aber offenbart den tatsächlichen Ablauf der Aktion: Circa 40 Identitäre sitzen still in einer Reihe vor dem Bundesjustizministerium und wedeln langsam mit ihren Lambda-Wimpeln, als der damalige Justizminister heraustritt und mit einem Ausfallschritt über die „Blockade“ steigt.
Der Live-Mitschnitt ermöglicht den Realitätscheck und bricht die Inszenierung. Und plötzlich fehlt der Zauber, der die Identitären so mächtig aussehen lässt, wie sie sich selbst gerne sehen würden.
Sowohl durch diese Inszenierungen als auch durch neurechte Kabarett-Formate, rechten Rap und Merchandise bis hin zum Craft Beer wird der Versuch gemacht, eigene Akteure im Kulturbereich zu platzieren. Alain de Benoist stellte die Wichtigkeit derartiger Projekte für eine Transformation im Sinne der Neuen Rechten heraus: „Die ganze Macht der Schauspieler und der Vorführungen, der Unterhaltung und der Moden liegt im Übrigen in diesem […] Zug begründet, und zwar insofern als ein Roman, ein Film, ein Theaterstück, eine Fernsehsendung etc. auf lange Sicht politisch umso wirkungsvoller sind, als man sie zu Beginn nicht als politisch erkennt, sie aber eine langsame Entwicklung, eine langsame Verschiebung der Mentalitäten von einem Wertsystem in Richtung auf ein anderes verursachen.“
Wenngleich sich die Neue Rechte betont anschlussfähig gibt, stellt sie klar, dass künstlerische Interventionen, Videos, Bilder oder neue Begriffe die Mittel seien, um die „Machtquellen des Gegners auszutrocknen und lahmzulegen“. In der bereits 2016 veröffentlichten „Kriegerklärung“ schrieben die Identitären: „Unser Ziel ist keine Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform“.
Es wird offenkundig, dass es sich bei diesen „Neuen Rechten“ nicht um eine Gruppierung handelt, die sich aus dem demokratischen Diskurs ausgeschlossen fühlt und die jetzt wieder in die Gemeinschaft der Demokrat*innen integriert werden müsste. Ihr Ziel ist es nicht, in einen gesellschaftlichen Aushandlungsprozess zu treten. Sie verabscheuen ihn und wollen ihn zerstören.
Das Ziel der Neuen Rechten ist es nicht, in einen gesellschaftlichen Aushandlungsprozess zu treten. Sie verabscheuen ihn und wollen ihn zerstören.
Carina Book
Der Kulturbereich wird als eines der Hegemonie schaffenden Zentren eines behaupteten „totalitären 68er-Regimes“ begriffen. Ob im Deutschen Theater in Berlin, auf der Frankfurter Buchmesse oder in den Hamburger Bücherhallen: Vielerorts gerät der Kulturbetrieb unter Beschuss. Denn er wird als eine Art zentrale Ausgabestelle für das derzeitige System verstanden.
Der Kulturbetrieb hat nach Meinung der Rechten die Funktion, die Menschen immer wieder davon zu überzeugen, dass sie in der Besten aller Welten leben. Die Neue Rechte versucht diese Stützpfeiler zum Einstürzen zu bringen und damit den Weg in ein neues System, in ihre „Beste aller Welten“ zu ebnen.
Die neu-rechte „Beste aller Welten“ aber ist eine exklusive. In ihr sollen die Privilegien des weißen Mannes rekonstruiert und nach Carl Schmitt alles Heterogene vernichtet werden. Eine Dystopie, gegen die sich der Kulturbetrieb stellen und gesellschaftliche sowie historische Verantwortung übernehmen muss – genau wie der Rest der Gesellschaft.