Das Computerspiel Pavillon Prison Break beschäftigt sich mit dem Wandel von gesellschaftlichem Rechtsempfinden am Beispiel des Ortes, an dem heute das Kulturzentrum Pavillon in Hannover steht. Mitgearbeitet haben bislang über 300 Personen. Zu Ende ist das Projekt aber noch nicht.
Autor: MARCUS MUNZLINGER
Gamification gilt vielen digitalen Kulturschaffenden und Medienpädagog*innen als längst vergangener Hype. Sie bezeichnet die Anwendung von Prinzipien insbesondere digitaler Spiele auf andere Bereiche, ihre Anreicherung mit spielerischen Elemen-ten, die Implementierung von Feedback- und Belohnungssystemen.
Bei Pavillon Prison Break geht es um mehr: Um die Nutzbarmachung der Produktionsabläufe von digitalen Spielen für die Vermittlungsarbeit selbst. 2016 gestartet, ist Pavillon Prison Break eines der ersten Projekte im deutschsprachigen Raum, das nicht Gamification und auch nicht ausschließlich „Gaming“, sondern Game-Design für die Vermittlungsarbeit einsetzt.
Bei Pavillon Prison Break wird in einem fortwährenden Prozess eine Location-Based-Game App durch unterschiedlichste Menschen immer weiterentwickelt. Prozeduralität nennt man in den Medienwissenschaften den Umstand, dass digitale Produkte beständig editierbar sind, grundsätzlich jede*r von überall über offene Backends von Content Management Systemen (CMS) Neuerungen und Verbesserungen einbauen kann. Bei Pavillon Prison Break bedeutet dies, dass das schier unerschöpfliche Themenuniversum des Spiels wie auch die ständig steigenden technischen Möglichkeiten einen Horizont für einen potenziell unendlichen kollaborativen Produktionsprozess öffnen.
Das Thema, welches das Projekt vermittelt, ist der Wandel von gesellschaftlichen Vorstellungen von Recht und Unrecht. Ausgangspunkt ist die Geschichte des Ortes, an dem heute das Kulturzentrum Pavillon steht: Von 1863 bis 1965 stand hier das „Gerichtsgefängnis Hannover“, das von seiner Grundsteinlegung im Königreich Hannover bis zu seinem Abriss in der Bundesrepublik Deutschland sechs deutsche Staatssysteme mit den jeweiligen Justiz- und Strafsystemen erlebte.
Prominente Gefangene wie der Serienmörder Fritz Haarmann, der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann oder der IG-Metall Gründer Otto Brenner waren hier ebenso inhaftiert wie – bis in die BRD hinein – tausende Homosexuelle, Dissident*innen oder Kleinkriminelle. Ihre Geschichten sind die Grundlage für ein Science-Fiction-Zeitreisen-Game, an dem bislang über 300 Menschen – von Schüler*innen bis zu Senior*innen, von Studierenden bis Zeitzeug*innen – in kreativen Level-Design-Workshops mitgearbeitet haben.
KONTAKT
Kulturzentrum Pavillon
Lister Meile 4 · 30161 Hannover
0511/23 55 55-0
www.pavillon-prison-break.online