Doris Foitzik hat im Januar 2004 im Bürgertreff Altona-Nord im Rahmen eines Trägerwechsels ihre Arbeit aufgenommen. Acht Jahre hat sie sich die Geschäftsführung mit einem Kollegen geteilt. Als er ausschied, war sie alleinige Geschäftsführerin des Bürgetreffs – bis Sonja Eichele mitten in der Corona-Pandemie die Geschäftsführung im Bürgertreff übernahm. Sonja ist schon seit 30 Jahren in der Soziokultur aktiv. Sie hat Kulturwissenschaften studiert und war unter anderem acht Jahre im Kultur Palast in Billstedt tätig. Sie las die Stellenanzeige des Bürgerhauses und sah auf dessen Webseite den Stadtteilfilm „Das schräge Herz“. Und dachte sich: „Da will ich hin – zurück in die Stadtteilkultur.“
Doris, wie habt ihr in eurem Haus den Wechsel vorbereitet? Was hat gut funktioniert, was nicht so?
DORIS FOITZIK: Ein halbes Jahr vorher habe ich begonnen aufzuräumen: Ordner ausgemistet, übersichtlicher sortiert und beschriftet und das ganze Büro von meinem Sammelsurium entmüllt. Ich bin zwar nicht besonders unordentlich, aber in 18 Jahren sammelt sich doch einiges an. Gleichzeitig habe ich begonnen, mir Notizen für ein Übergabeprotokoll zu machen. In einem kleinen Haus wie dem Bürgertreff sind die Aufgaben der Geschäftsführung sehr vielfältig. Herausgekommen ist ein ziemlich umfangreiches Paper mit einem Überblick über alle Aufgabenbereiche, Kontakte, Deadlines und Fundstellen. In den ersten Wochen nach dem Renteneintritt war ich auch noch häufig im Büro, um meine Nachfolgerin Sonja einzuarbeiten.
Ich hatte eigentlich einen perfekten Plan, aber die Arbeit und viel Unvorhergesehenes hat uns dann doch überrollt. Unsere Fahrradtour durch den Stadtteil haben wir bis heute nicht geschafft.
Hast du Tipps oder kannst du Methoden für einen gelungenen Generationswechsel empfehlen?
Es muss klar sein, dass nichts bleibt wie es ist: Die „neue Generation“ wird wahrscheinlich einen ganz anderen Arbeitsstil haben, andere Schwerpunkte setzen und Angebote, die man entwickelt und gut gefunden hat, aus dem Programm nehmen. Das ist völlig okay und man hat da nicht reinzugrätschen – man sollte aber für Fragen noch eine ganze Weile zur Verfügung stehen.
Was war in deiner Zeit die beste soziokulturelle Aktivität des Bürgertreffs?
Bei „Altona isst anders“ – der Name verrät, worum es ging – kamen rund 500 Besucherinnen und Besucher von null bis 90: Das ist natürlich ein oft gewünschtes, aber selten erreichtes Traumziel in der Stadtteilarbeit. Sehr berührt haben mich auch die Theateraufführungen unseres Inklusionsprojektes „Lebenslust für Jung und Alt“. Wenn Grundschulkinder mit dementen Seniorinnen und Senioren zusammen singen, tanzen und spielen, können einem schon die Augen feucht werden.
Das absolute Highlight war aber unser Stadtteilfilm „Das schräge Herz“, den der Dokumentarfilmer Christian Hornung im Auftrag des Bürgertreffs über Altona-Nord gedreht hat. Die Leute aus dem Stadtteil waren begeistert und mir ist noch einmal nachdrücklich klar geworden, was ich für einen interessanten Arbeitsplatz in einem ziemlich schrägen Stadtteil habe.
Ist dir das Loslassen schwergefallen?
Nein, die Pandemie hat es mir leicht gemacht. Ich habe auch gemerkt, dass mir langsam die Ideen ausgehen. Man muss schon ziemlich kreativ sein, um jedes Jahr neue Projekte zu entwickeln und es war einfach Zeit, den Stab weiterzugeben.
Sonja, wie hat der Wechsel für dich geklappt? Hast du Tipps?
SONJA EICHELE: Doris hat den Wechsel hervorragend vorbereitet. Ich habe einen sehr aufgeräumten Arbeitsplatz und eine ausführliche Übergabe-Handreichung übernommen.
Mir hat sehr geholfen: Eine persönliche Übergabe ohne Zeitdruck, in der ich viel wertvolles Expert*innen-Wissen erfahren konnte. Das hat mir Sicherheit gegeben, gerade in der kritischen Corona-Zeit. Was die Netzwerk- und Kontaktübergaben anging, konnten diese wegen Corona leider nicht stattfinden. Der Betrieb startete nur langsam wieder, viele Kontakte habe ich erst Wochen und Monate später kennenlernen können und bin immer noch dabei. Meine Empfehlung: Persönliche Übergaben sind für beide Seiten Gold wert. Die oder der „Neue“ erfährt unbezahlbare Tricks und Kniffe und die Person, die geht, kann besser loslassen, wenn sie den Eindruck gewinnt, dass ihr
„Erbe“ in guten Händen ist.
Was war in deiner Anfangszeit die größte Herausforderung?
Corona und die engen Grenzen des Zuwendungsrechts. Außerdem hat ein Monat nach meinem Arbeitsbeginn die zweite hauptamtliche Mitarbeiterin – in meinem 2,5-köpfigen Team – gekündigt. Aus dem Feuerwehr-Modus herauszukommen, in dem ich seither agiere, gelingt nur schwer.
Was ist deine größte Sorge für die Zukunft des Bürgertreffs und der Stadtteilkultur? Und was ist deine Hoffnung?
Mich treibt die Frage um, wie ich die Finanzierung für dringend nötige „Erneuerungsthemen“ wie Digitalisierung, lange aufgeschobene Sanierungs- und Renovierungsarbeiten, Entwicklung von Programmarbeit und Außendarstellung sicher-stelle. Und: Was, wenn Corona nochmal zuschlägt? Was, wenn die Öffentliche Hand als Reaktion auf die immense Überschuldung beginnt, Gelder in der Kultur zu streichen?
Meine große Hoffnung ist, dass die Hamburger Stadtteilkultur-Szene reich und vielfältig bleibt und sich keine zerstörerische Konkurrenzsituation entwickelt. Dass sie stattdessen weiter konstruktiv und kollegial zusammenwirkt wie bisher, mit alten und immer mehr neuen Gesichtern – und mit einem so tollen Partner wie STADTKULTUR an der Seite.
Außerdem hoffe ich, dass Stadtteilkultur auch zukünftig von allen Beteiligten angemessen wahrgenommen, wertgeschätzt und gefördert wird. Die Erfahrung zeigt: Ideenreichtum kann Lücken wettmachen, doch Mangelverwaltung tötet Kreativität und Entwicklung.
Danke euch beiden für die Beantwortung unserer Fragen.
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