Der Generationswechsel im HausDrei fand Anfang 2021 statt: Otto Clemens, der seit Ende 1998 das Stadtteilkulturzentrum in Altona leitete, übergab den Staffelstab an Christine Laufert. Auch hier wurde intern nachbesetzt: Christine hatte das HausDrei schon sieben Jahre im Vorstand begleitet und Otto zwischenzeitlich schon ein knappes Jahr krankheitsbedingt vertreten. Christine hat angewandte Kulturwissenschaften in Lüneburg studiert, das Projekt „Kita-Einstieg Hamburg“ geleitet und das EU-geförderte interkulturelle Frauenwirtschaftszentrum mit aufgebaut. Beide erzählen von ihrem individuellen Umgang mit dem Wechsel und haben Ideen, die auch anderen dabei helfen können.
Wie habt ihr in eurem Haus den Wechsel vorbereitet?
OTTO CLEMENS: Da Christine schon mehrere Jahre im Vorstand ehrenamtlich tätig war und Interesse an einer Nachfolge geäußert hatte, insbesondere nachdem sie mich schon einmal während einer längeren Krankheitsphase vertreten hatte, verständigten wir uns zumindest im Vorstand darauf, dass wir diese Variante der Nachbesetzung favorisieren würden, ohne anderes auszuschließen. Angesichts der schwierigen Erfahrungen anderer Zentren bei der Nachbesetzung – vor allem der Geschäftsführungen – schien uns dieser Weg einer internen Lösung einfacher und vielversprechender als alle Versuche, extern auf – kostspielige und zeitaufwändige – Suche zu gehen.
CHRISTINE LAUFERT: Aufbauend auf meinen Erfahrungen aus der ersten Zeit der interimistischen Geschäftsführung und meiner ehrenamtlichen Arbeit im Vorstand haben wir zusammen mit Susanne Beucher, die seit vielen Jahren im Vorstand vom HausDrei ist, über ein Jahr hinweg die Übergabe vorbereitet. Susanne ist Coach mit Changemanagement und Supervision als Schwerpunkte. Sie hat bereits einige Generationswechsel begleitet und sehr viel Erfahrung mitgebracht. Das war schon einmal eine sehr wichtige Grundlage für mich.
OTTO: So haben wir verschiedene Methoden im Dreier-Setting – unter anderem den „Baum des Wissens“ – angewandt, um zum einen systemrelevante Themen zu identifizieren und zum anderen einen Plan für einen ersten Wissenstransfer zu entwickeln. Dafür haben wir etwa zwei bis drei Jahre vor meinem vermutlichen Abschied mit zwei oder drei Sitzungen zu dritt einzelne Abschnitte abgearbeitet. Dazwischen haben wir – Christine und ich – zu zweit etwa alle zwei Monate einzelne Themen sowie Aktuelles und laufende Entwicklungsprozesse angefasst.
CHRISTINE: Leider konnten wir nicht alles, was wir uns vorgenommen haben, auch umsetzen. Einiges blieb auf der Strecke, da ich das alles ehrenamtlich neben meinem Vollzeitjob gemacht habe und auch bei Otto das Ganze neben dem Alltagsgeschäft gelaufen ist.
Es war auch schwierig, den richtigen Zeitraum für diesen Prozess zu finden. Trotz allem war die Vorbereitung sehr gut und wichtig, wenngleich nur möglich durch meine und auch Susannes unbezahlte Arbeit in dieser Phase, das darf man nicht vergessen und sollte meines Erachtens eigentlich nicht so sein.
Otto, hast du Tipps oder kannst du Methoden empfehlen?
Generell würde ich dieses oder ein vergleichbares Vorgehen immer empfehlen:
- Frühzeitig das Thema Übernahme angehen,
- professionelle Unterstützung zuziehen,
- Ressourcen und Kompetenzen an Bord nutzen,
- Vorstand und Team einbeziehen – was wir nicht genügend gemacht haben,
- einen Plan für Wissenstransfer aufstellen,
- Wissen zugänglich und digital verfügbar machen – das ist uns leider nur teilweise gelungen, wir haben das Zugänglichmachen am Ende nicht abgeschlossen mangels Zeit und da wir zu wenig Zeit angesetzt hatten,
- diesen Wissenstransfer auf breite Basis stellen und Kolleg*innen einbeziehen, die im Team verbleiben und eine Brücke bauen können,
- sowohl eine solide, das heißt nicht gestresste Vorbereitungsphase als auch eine ausreichend lange Nachsorgephase organisieren – letztere hat bei uns mehr als ein Jahr gedauert und sollte aus meiner Sicht von vornherein als offizieller Auftrag klar verabredet werden mit Umfang und – sofern möglich – auch honoriert werden.
Wenn die Nachfolge extern besetzt wird, ist dieses Vorgehen natürlich eher selten realisierbar. Dann muss man aber schauen, dass es ausreichend Überschneidungszeit gibt.
Christine, was wären deine Ratschläge?
Für den Wissenstransfer war und ist mir eine Tabelle hilfreich, die Otto schon ein Jahr zuvor angelegt und laufend ergänzt hat. In der Tabelle hat er erfasst, was in den einzelnen Monaten eines Jahres an wiederkehrenden Aufgaben und Fristen ansteht, etwas was man in jedem Arbeitsbereich bei einer Übernahme gut gebrauchen kann.
Als sehr wichtig und unterstützend empfinde ich den Austausch mit Kolleg*innen auf Geschäftsführungsebene anderer Häuser. Dazu sollte man sich auch bei der Fülle an Aufgaben Zeit nehmen. Viele Übergebende wiederum möchten die Organisation natürlich im besten Zustand übergeben und versuchen Prozesse zu optimieren oder neue anzustoßen. Das ist im optimalen Fall auch ein Plus für alle. Doch ich denke, hier ist es wichtiger, Maß zu halten, das Unperfekte auszuhalten und offene Punkte oder Verbesserungen lieber als Aufgabe an den*die Nachfolgende*n zu übergeben. Es kann andernfalls womöglich zu Lasten aller gehen, wenn diese Prozesse nicht abgeschlossen und verinnerlicht werden können oder Unklarheiten und zusätzliche Arbeitsbelastungen entstehen. Das könnte dann noch lange nachwirken und schwierig aufzufangen sein.
Otto, was hast du in deiner ersten „freien“ Woche gemacht?
Urlaubsgefühl gehabt, aber ohne Zeitbegrenzung. Ich habe aber noch ziemlich viel in die E-Mails geschaut und beobachtet, was sich im HausDrei tut.
Ist dir das Loslassen schwergefallen?
Ja, sehr, nach den langen Jahren ist mir schließlich besonders mein letztes Team doch sehr ans Herz gewachsen und ich konnte nur schwer loslassen, also nicht zu fragen: „Wie geht es euch heute? Läuft alles glatt? Braucht ihr noch Hilfe?“.
Zudem habe ich Christine ja auch immer wieder Infos gegeben oder mit Ratschlägen unterstützt bis hin zur ersten Mitgliederversammlung nach meinem Ausscheiden und darüber hinaus. Das lag aber auch daran, dass ich wegen Corona keinen wirklich offiziellen Abschied feiern konnte und das Gefühl blieb, noch nicht ganz frei zu sein. Das stellte sich erst nach dem Jubiläum ein, wo ich dann auch öffentlich meinen Abschied kommentieren konnte.
Christine, was war in der Anfangszeit nach Ottos Weggang deine größte Herausforderung?
Nach der Vorbereitung und dem eigentlichen Wechsel kommt erst noch die schwierigste Phase der Etablierung: Das Hinein- und Zusammenwachsen in das beziehungsweise mit dem Team und der gesamten Organisation. Hierfür sollte man einplanen, sich gegebenenfalls externe Unterstützung zu organisieren. Generell ist es wichtig, mit seiner eigenen Persönlichkeit seine Rolle im Team zu finden. Hier ändert sich auch viel für die Kolleg*innen: Man selbst bringt eine ganz eigene Arbeitsweise, eigene Kompetenzen, einen anderen Führungsstil als der*die Vorgänger*in mit. Das verändert die Organisation mehr, als mir vorher bewusst war. Meine Herangehensweise war eigentlich erst einmal, möglichst wenig zu ändern und erst einmal festzustellen, wie was funktioniert, und erst dann langsam Änderungen vorzunehmen. Dabei habe ich aber unterschätzt, dass sich unweigerlich allein durch den personellen Wechsel an sich schon so vieles geändert hat und für die Kolleg*innen vieles anders geworden ist und dadurch Unsicherheiten und Unklarheiten entstehen können.
Otto, was ist deine größte Sorge für die Zukunft des HausDrei und der Hamburger Stadtteilkultur? Und was deine Hoffnung?
Das HausDrei muss unbedingt weiterhin sein Umfeld, den Stadtteil im Fokus haben und sich klar positionieren: Das HausDrei ist für alle da! Natürlich insbesondere für diejenigen, die strukturell oder anderweitig benachteiligt sind. Die integrative Kraft eines „Dritten Orts“, der sowohl moderieren kann als auch Impulse in das Gemeinwohl geben kann, ist der dynamische, harte Kern von Stadtteilkultur. Wie die „Frucht“ von außen aussieht, variiert natürlich von Quartier zu Quartier.
Ich hoffe, dass das HausDrei – ebenso wie die Stadtteilkultur insgesamt – zukünftig auf diesem Wege weiter geht und wächst, um für die lokalen Communitys in den kommenden Krisen ein offener, diverser Treffpunkt und Ort des Austauschs und der Selbstvergewisserung zu sein. Verbundenheit und Selbstwirksamkeit sind Erfahrungen, die unsere Milieus in den Quartieren stärken gegen Orientierungslosigkeit, Hass und Spaltung. Meine Rede zum 40-jährigen Jubiläum des HausDrei, gleichzeitig meine Abschiedsrede, habe ich beendet mit den Worten: Das HausDrei leistet einen enormen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität. Es prägt und stärkt das Quartier – ist Rückzugsort, Trainingscamp für Toleranz und Demokratie und Zukunfts-Labor für „ein gutes Leben“. Das wünsche ich mir zukünftig für das HausDrei – und die ganze Stadtteilkultur.
Christine, was sind deine Sorgen und Hoffnungen?
Über die größte Sorge möchte ich hier gerade gar nicht viel sagen. Otto hat in seiner Antwort schon einiges gesagt, das ich nur bestätigen kann. Da sieht man, dass er noch ganz in seinem Element und eben doch mit Kopf und Herz noch im HausDrei ist.
Wir sind im Haus gerade dabei, unser Leitbild neu zu erarbeiten und dabei entstand für mich im Gespräch mit Kolleg*innen ein Bild vom HausDrei als eine Art altes verwildertes Gewächshaus ohne Scheiben, schützend und zugleich offen, in dem die darin und darum lebenden Geschöpfe lange Wurzeln geschlagen haben und miteinander verwachsen. Es fallen Samen auf den Boden, es fliegen Samen durch die Luft und daraus wächst in dem entstandenen fruchtbaren Humus in dem alten Haus wieder etwas Neues. Das ist mein hoffnungsvolles Bild für das HausDrei und auch für die Stadtteilkultur in Hamburg. Da steckt viel Kraft für Emergenz und Innovation drin, mit der wir in der Stadtteilkultur den Krisen entgegentreten können.
Danke an euch beide für die Beantwortung unserer Fragen.
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