In einer globalisierten Welt stoßen wir alle miteinander auf Dinge, auf die wir uns nicht vorbereiten konnten und mit denen wir nicht verhandeln können – Pandemien etwa. Einige Dinge sind nicht wegzudiskutieren. Diese von außen auf uns einströmenden Erfahrungen der eigenen Verletzlichkeit – und der unseres gesellschaftlichen Miteinanders – haben in den letzten Jahren noch einmal deutlich zugenommen.
Autor: Dr. Carsten Brosda
Als Gesellschaft haben wir das Gefühl, dass in immer schneller werdender Schlagzahl Krisen über uns hereinbrechen, auf die wir hätten vorbereitet sein können, es aber nicht sind. Diese Krisenhaftigkeit unserer Welt wird bleiben. Einen Normalzustand, zu dem wir zurückkehren können, wird es so schnell nicht geben. Wir müssen uns in einer sich rapide ändernden Welt bewegen.
Bloß reagieren oder auch mitgestalten?
Wollen wir, dass allein diese Veränderungen uns verändern? Oder wollen wir selbst noch in irgendeiner Weise verändernd und verbessernd eingreifen (können)? Glauben wir noch immer daran, dass so etwas wie ein besserer Zustand von Gesellschaft denkbar und gestaltbar ist, oder gehen wir nur noch davon aus, dass wir uns defensiv damit auseinandersetzen, dass es nicht ganz so schlimm kommt, wie prognostiziert?
Stadtteilkultureinrichtungen als kulturelle Plattformen
Stadtteilkultureinrichtungen können, im mikrosozialen Raum, eine Plattform bieten: Für das Erfahren der Wirksamkeit eigener und kollektiver Entscheidungen und dafür, dass diese Auswirkungen darauf haben, wie wir uns in diesen Veränderungsprozessen und Krisen verorten. In modernen Gesellschaften stellen wir Zusammenhang zu einem großen Anteil durch öffentlichen Diskurs, Austausch und Verhandeln her. Kulturorte sind daher Teil der öffentlichen Infrastruktur unserer Gesellschaft. In der Stadtteilkultur ist das in den letzten 40 Jahren in Hamburg in „antagonistischer Kooperation“ zwischen Behörden und zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüssen gut geglückt – aus unterschiedlichen Positionen heraus, aber mit einem gemeinsamen Interesse.
Stadtteilkultureinrichtungen als künstlerische Plattformen
Neben dem Miteinander, der Kultur, geht es in den Häusern der Stadtteilkultur immer auch um Kunstproduktion und -genuss. Nicht nur Dialog, sondern auch ästhetische Zuspitzung. Kunstorte sind Orte, in denen wir als Gesellschaft spielen können. Das ist ihre politische Dimension: Dort kann die Welt anders sein, als sie ist. Wir begreifen, im Spiel, die Welt als veränderbar.
Stadtteilkultur ermöglicht das Vexierspiel zwischen künstlerischen Interventionen und kulturellen Räumen, in denen wir darüber verhandeln können, wohin wir uns als Gesellschaft bewegen wollen.
Globale und lokale Problemlagen überlagern sich zunehmend, daher braucht es Stadtteilkultur als Struktur der gesellschaftlichen und künstlerischen Begegnung auf lokaler Ebene zur Verhandlung globaler Problemlagen, die in den Alltag unserer Stadtgesellschaft eingreifen.
Jetzt erst recht: Handeln statt erstarren
In Einrichtungen der Stadtteilkultur haben wir die Möglichkeit, unsere Träume mit der Wirklichkeit abzugleichen – wenn wir handeln und nicht nur darüber nachdenken, wie wir es gern würden, wenn es möglich wäre oder wie es „nach der Krise“ wieder möglich ist. So entsteht die Lust, es besser zu machen. Die BKM wird weiterhin dabei unterstützen, dies möglich zu machen. Wir brauchen offene Orte der Stadtteilkultur – gerade jetzt. Weil wir so viel zu verhandeln haben und weil wir den utopischen Überschuss des Spiels brauchen, um uns vorstellen zu können, dass die Welt besser denk- und machbar ist.