Das Team der Zinnschmelze versteht sich als Mosaikstein innerhalb weiter reichender Netzwerke – im Stadtteil, der gesamten Stadt und auch darüber hinaus. Daraus werden künstlerische Konzepte und unterschiedliche Methoden für Beteiligungs-Projekte entwickelt. Sie werden an verschiedenen Stellen der täglichen Arbeit sichtbar: Die Beschreibung von drei Projekten – Hummustopia, DazugeHören! und die Welcome Music Session – soll die Schwerpunkte und Formen von Beteiligung in der Zinnschmelze erläutern.
Autorin: Sonja Engler
Hummustopia – Lecker streiten
Bei Hummustopia stehen Aushandlungsprozesse in einem demokratischen Gemeinwesen im Mittelpunkt. Im öffentlichen Raum wird für ein paar Stunden ein Pop-up-Imbiss aufgebaut, an dem sich Zufallsgäst*innen versammeln und über kontroverse Themen diskutieren sollen. Die Einladung zum Teilen einer Mahlzeit mit einer unbekannten Person und die Aufforderung, eine Gemeinsamkeit in der Kontroverse zu finden, will einen Beitrag zu einer gesunden Debattenkultur leisten. Es geht ums Zuhören, Einlassen auf andere Menschen und Meinungen, Erfahrungen von gegenseitigem Respekt und dem Gewinn neuer Erkenntnisse. Die Teilhabe geschieht spontan und voraussetzungslos.
Das Veranstaltungsformat ist einerseits flüchtig, doch im Gegensatz zur digitalisierten Kommunikation mit der dortigen Schnelligkeit, Anonymität und Aufgeregtheit kommen hier die persönliche Begegnung und der Schutzraum des Projektsettings zum Tragen. Sie ermöglichen den Teilnehmenden die Erfahrung einer konstruktiv geführten Debatte und den Einblick in die Perspektiven Anderer. Im Idealfall wirken solche Erlebnisse noch länger nach und beeinflussen künftige Auseinandersetzungen.
DazugeHören!
Das Kooperationsprojekt DazugeHören!, das die Zinnschmelz gemeinsam mit dem ella Kulturhaus, dem Goldbekhaus und dem Bürgerhaus Barmbek durchführte, widmete sich dem Sichtbarmachen und Überwinden von sozialer Marginalisierung: Im Wartebereich von Ämtern und Behörden befragte das Projektteam Zufallspersonen zu ihren Anliegen, Sorgen und Hoffnungen. Die Idee des Projekts bestand darin, diese Stimmen künstlerisch zu verstärken und sie weiter in die politischen Entscheidungsebenen zu tragen.
Im Projekt stellten sich komplexe und vom Team intensiv diskutierte Fragen: Gelingt die Beteiligung der Menschen, die ihre Geschichten erzählten, auch über die Interviewsituation hinaus? Die meisten der Teilnehmenden wollten anonym bleiben und keine Kontaktdaten hinterlassen. So waren Einladungen zur Präsentation der künstlerischen Arbeiten nur allgemein und mit Verweis auf die Webseiten und Social Media möglich.
Außerdem ist hier der Aspekt der Teilgabe in einem Partizipationsprozess besonders berührt: Die befragten Menschen haben dem Projekt etwas gegeben, der verantwortungsvolle Umgang damit war sehr wichtig und ein zweites Ziel noch weiter gesteckt: Das Gegebene sollte auch angenommen und zu Gehör gebracht werden. Eine aus den Interviewtexten entwickelte Performance mit vier Darsteller*innen wurde an ausgewählten Behörden-Standorten aufgeführt. Bleibendes Ergebnis ist eine illustrierte Sammlung poetischer Texte von vier Autor*innen, deren Grundlage die gesammelten Stimmen waren. Diese Broschüre wurde gezielt an Ausschüsse und Einzelpersonen in Politik und Verwaltung verteilt und ist auf Nachfrage weiter erhältlich.
Welcome Music Session
Bei der seit 2015 bestehenden Welcome Music Session kommen durch die Weiterentwicklung des Projekts mehrere Formender Partizipation zum Tragen. Das alles verbindende Ziel ist, kulturelle Vielfalt in der Musik mit persönlichen interkulturellen Begegnungen zu koppeln und daraus künstlerisch Neues zu schaffen.
Die Basis des Projektes bilden die monatlichen Welcome Music Sessions. Hier steht das unmittelbare Mitmachen im Vordergrund – als Einladung ans Publikum und Gastmusiker*innen. Als Treffpunkt erfüllt das Format unterschiedliche Bedürfnisse: Das Publikum lernt Lieder, Instrumente und Bands kennen, die Musiker*innen treffen sich zum gemeinsamen Spielen. Es gibt kaum Standards, auf die zurückgegriffen werden kann. Zuhören, Raum geben, Begleiten, den passenden Moment für ein Solo finden – alles geschieht auf offener Bühne. Das Besondere dieser Teilhabe sind die „magischen Momente“, die sich musikalisch und atmosphärisch ereignen. Es ist die unplanbare künstlerische Komponente, die live vor Ort und durch die Beteiligten in Musik und Publikum entsteht.
Während bei der Session jeder Abend für sich steht, richten sich die Welcome Music Workshops, bei denen es um künstlerische Vertiefung geht, an musikalisch ambitionierte Menschen. Pro Jahr werden drei bis vier Workshops zu verschiedenen Stilen oder besonderen Techniken veranstaltet. Sie sind offen für alle Interessierten und werden von Profis angeleitet. So soll auch die Vernetzung innerhalb der interkulturellen Musik-Szene in Hamburg unterstützt werden.
Um diese Verbindungen zu verstetigen und künstlerische Potenziale zu entwickeln, befindet sich zurzeit die Welcome Music Band in Gründung. Dies bedeutet kontinuierliche Probenarbeit und Suche von Auftrittsmöglichkeiten für zehn junge Musiker*innen, die traditionelle Lieder ihrer Heimatländer untereinander und mit neuen Arrangements verbinden.
Die Kontakte zu Communities, die durch die Session entstanden sind, und das große Potenzial der Weltmusik-Szene in Hamburg, die Auftrittsorte braucht, haben zu einer Konzert-reihe geführt, die seit Anfang 2023 besteht. Das Anliegen der Welcome Music Concerts ist es, der Musik einen Raum zu geben und die Communities am öffentlichen Kulturleben zu beteiligen.
Außerdem soll das Interesse eines neugierigen, interkulturellen Publikums geweckt werden, den musikalischen Reichtum der Stadt zu entdecken – mit der Überzeugung, dass an solchen Orten Begegnungen möglich sind, die eine Grundlage für kulturenübergreifende Verständigung bieten. Nicht zuletzt hierfür will die Zinnschmelze ein Ort sein.
KONTAKT
Zinnschmelze
Maurienstr. 19 · 22305 Hamburg
www.zinnschmelze.de · www.hummustopia.de
www.momentmal-hamburg.de · www.welcome-music-session.org