Durch Vernetzung mehr erreichen

Die Kampagne „Barmbek demokratisch“ entstand im Herbst 2023 im Barmbeker Ratschlag. Der Ratschlag ist ein selbstorganisiertes Netzwerk aus Einrichtungen, die in Barmbek-Nord arbeiten, sich zur sozialen, kulturellen oder baulichen Entwicklung des Stadtteils austauschen und themenbezogene gemeinsame Aktionen verabreden. Sonja Engler aus der Zinnschmelze erläutert im stadtkultur magazin die Kampagne und ihre Aktionen.

Autorin: Sonja Engler

Die Kampagne „Barmbek demokratisch“, Foto: Zinnschmelze

Vor dem Hintergrund der Landtagswahlen in Hessen und Bayern im Oktober 2023 und den anstehenden Kommunal-, Landes- und Europa-Wahlen in diesem Jahr entschieden sich die Akteur*innen des Barmbeker Ratschlags, gemeinsam und mit verschiedenen Aktionen die demokratische Debatte im Stadtteil zu fördern und zur Stärkung der Wahlbeteiligung beizutragen. Entwickelt wurde eine Kampagne aus verschiedenen Elementen, die im Januar 2024 mit dem Manifest „Barmbek demokratisch!“ in die Öffentlichkeit ging und sich bis Oktober mit Workshops erstreckt.

Das Manifest wurde von über 40 lokalen Organisationen unterzeichnet, als Plakat gedruckt und über Social Media geteilt. Schon dieser Prozess erwies sich als Teil einer Auseinandersetzung darüber, welche zivilgesellschaftliche Rolle Vereine, Verbände, Gewerbetreibende und öffentlich geförderte Institutionen einnehmen können oder wollen.

„Wir setzen uns ein für ein Zusammenleben ohne Ausgrenzung, Hass und Gewalt gegen Einzelne und gesellschaftliche Gruppen, gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit.“
Barmbeker Manifest

Im Mittelpunkt der Kampagne sollten direkte Begegnungen und Diskussionen stehen. Im Zeitraum bis zur Europawahl im Juni fanden sechs Infostände auf dem Barmbeker Wochenmarkt statt, die zur Wahlbeteiligung aufriefen und über das Manifest informierten. Die Stände wurden von verschiedenen Kolleg*innen aus den Organisationen des Netzwerks besetzt und waren parteipolitisch neutral.

Parallel startete eine Veranstaltungsreihe mit Fachreferent*innen, um spezifische Themen wie die Debatte um Zuwanderung mit Charlotte Nendza-Ammar, Rechtsextreme Gewalt in Hamburg seit 1970 mit Knud Andresen und die Methoden populisti­scher Parteien mit Marcel Lewandowsky vertieft zu diskutieren. Drei Workshops zu Medienkompetenz, Desinformation und Strategien gegen rechtsextreme Positionen finden noch statt. Die Reihe soll inhaltlich, methodisch und mit der Wahl verschiedener Veranstaltungsorte ein möglichst breites Publikum aus dem Stadtteil ansprechen und zugleich einige der zentralen Aspekte der gegenwärtigen Debatten um Demokratie-Theorie und -Praxis beleuchten.

Möglich wurde dies alles durch das zum Teil ehrenamtliche Engagement der Akteur*innen, das enge Zusammenwirken der beteiligten Organisationen und der Finanzierung durch Sonder­mittel der Bezirksversammlung. Die Infostände haben für Präsenz der Themen Demokratie und Wahlen gesorgt und gezeigt, dass hier jede einzelne Person gefragt ist und sich engagieren kann. Die bisherigen Veranstaltungen waren überwiegend gut besucht und regten zu konstruktiven Debatten an. Über die Teilnahme an der GoVote-Kampagne in der ersten Juniwoche konnte die Öffentlichkeitsarbeit auf ganz Hamburg ausgeweitet werden.

Dies alles sind keine geringen Erfolge. Auch ein Netzwerk wird gestärkt durch Erfahrungen der Selbstwirksamkeit. In einem Zwischenfazit des Barmbeker Ratschlags äußerten sich viele der Beteiligten zufrieden, die Kampagne in relativ kurzer Zeit konzipiert und umgesetzt, positive Erfahrungen in der Arbeit miteinander gemacht zu haben und nicht zuletzt, mit dem je individuellen Bedürfnis, die Demokratie zu stärken, ganz direkt im eigenen Stadtteil handeln zu können.

Der selbstkritische Blick auf das erste Halbjahr zeigt jedoch auch, dass die Aktionen vor allem Menschen erreicht haben, die den Haltungen des Manifests ohnehin zustimmen. Ein diskursiver Austausch über politisch konträre Positionen hat zu wenig stattgefunden. Einzelne populistische oder hetzende Parolen an den Infoständen sind damit nicht gemeint, sondern der Wunsch, Argumente und Positionen auszutauschen und sie im Gespräch miteinander zu entwickeln.

Darum wird es in den kommenden Treffen des Barmbeker Ratschlags gehen: Auswerten, was noch nicht zufriedenstellend funktioniert hat, die Kapazitäten des Netzwerks überprüfen, über andere Formate für die nächsten Wahlen in Hamburg nachdenken und ggf. auf weiter reichende Bündnisse eingehen. Denn eines ist klar: Die politische Situation lässt manchmal verzweifeln und scheint aussichtslos. Doch Hoffnung auf Verbesserung ist nicht einfach „zu haben“: Wir schaffen sie durch unser Handeln.

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Zinnschmelze
Maurienstr. 19 · 22305 Hamburg
www.zinnschmelze.de

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