Ein Wandbild im Kupferdiebehaus des Gängeviertels, bei dem die Linien erst durch die Verbindung zwischen den fein säuberlich notierten Zahlenfolgen einen Sinn ergaben,ließ folgenden Satz entstehen: „It’s easier to ask for forgiveness than to ask for permission“ – Es ist leichter, um Vergebung zu bitten, als um Erlaubnis.
Autorinnen: Christine Ebeling, Hannah Kowalski und Margaux Weiss
Um Vergebung wurde zwar nie gebeten, aber dieser Satz hat viel mit dem zu tun, was die Kultur und die Kunst in Hamburg und vor allem die Menschen geleistet haben. Ohne den Mut und den Willen, Orte zu erobern, zu öffnen und zu halten, würde Hamburg heute wohl ohne Westwerk, Kampnagel, Vorwerkstift, Hafenstraße, Park Fiction und ähnliche Orte auskommen müssen. Schon seit Jahrzehnten sind es einzelne Gruppen Kulturschaffender und Künstler, die durch eigene Initiativen Räume erkämpfen, die genauso unabdingbar sind für das eigene Arbeiten wie für das Zeigen, den Austausch und das Brodeln, welches das Leben lebenswert macht.
Dabei stellt sich die Frage, ob etwas Kunst ist oder nicht, genauso wenig wie die nach der Erlaubnis. Weit vor diesen Fragestellungen geht es um das Erleben, das Ermöglichen, das Experiment und das Schaffen eines Produktionsortes für das, was ein Werk werden könnte. Diese Orte werden seltener und vor allem teurer, und man findet sie fast gar nicht in zentraler Lage. Die Stadt als Material künstlerischer Produktion wahrzunehmen und in einen kritischen Prozess zu überführen, politische Themen aufzugreifen und Widerstand zu leisten, hat in Hamburg Tradition. Wem gehört der öffentliche Raum, wer darf ihn sich aneignen und gestalten? Wer bestimmt wie die Stadt aussehen soll, in der wir leben?
Die von Anfang an kritische Auseinandersetzung mit der durch und durch kommerzialisierten Umgebung des Gängeviertels, das über allem stehende Gesamtkonzept und das gleichwertige Anerkennen aller Fähigkeiten, Kreativität nicht nur aus künstlerischer Sicht zu betrachten, sondern den so genannten erweiterten Kunstbegriff anzuwenden – bei dem Kreativität auch im Bereich des Sozialen und Politischen als Kraft verstanden wird und über die grundsätzlich jeder Mensch verfügt – war und ist die Kraft, die das Gängeviertel zu dem gemacht hat was es ist: ein Ort kultureller Produktion, der für jeden erlebbar ist, an dem jeder teilhaben kann und der Werte nicht als Konsumgüter betrachtet – ein Gegenentwurf im Mittelpunkt der Stadt. Nicht nur Wünsche wurden wahr, sondern ein Konzept für die Entwicklung eines Möglichkeitsraumes, eines Ortes der kulturellen Produktion und der Kunst.
Das Gängeviertel kann derzeit Raum für Kultur bieten – dank ehrenamtlicher Arbeit und nicht vorhandener ökonomischer Zwänge. Aber wird es auch so bleiben können? Die Zukunft des Viertels wird mehr und mehr von eben diesen ökonomischen Faktoren bestimmt werden. Kann der Freiraum auf dem Weg zur Institution erhalten werden? Dieses hängt weniger von dem Engagement der Initiative „Komm in die Gänge“ ab, sondern hauptsächlich von politischen Entscheidungen. Im Herzen des Ensembles Gängeviertel, der FABRIK, soll ein Möglichkeitsraum entstehen: auf fünf Etagen mit jeweils mehr als 200 Quadratmeter, ein Ort für Kunst, Kultur und gesellschaftlichen Austausch, unkommerziell und offen für alle. Auch Geringverdiener und sozial engagierte Personen sollen hier wirken und arbeiten können. Inwiefern dies gelingt, hängt von den kommenden Verhandlungen ab – und vor allem vom Mietpreis.
Der Kampf um die Möglichkeit, Kultur mitten in der Stadt zu produzieren und zu teilen, ist demnach noch lange nicht ausgefochten. Die Entwicklung des Gängeviertels in den nächsten Jahren kann auch als Seismograph gelesen werden: Wieviel sind uns Freiräume und Kultur wert?*
* mit einem Auszug aus dem Text von Christine Ebeling „Sieht doch gut aus“, in: Mehr als ein Viertel, erschienen bei Assoziation
Kontakt:
Gängeviertel e.V., Valentinskamp 39, 20355 Hamburg, , www.das-gaengeviertel.info