Nr. 61: SUPERKRAFT ERSCHÖPFT?

Wir befinden uns in einer Zeit epochaler multipler Krisen: Die Klimakrise, die Energiekrise, die Coronakrise und der Angriffskrieg in der Ukraine und seine mannigfaltigen Folgen sind die akut wohl bedrohlichsten Entwicklungen. Der 23. Hamburger Ratschlag Stadtteilkultur beschäftigte sich deshalb im November 2022 mit dem Thema „Stadtteilkultur und die Krisen“.

Die Soziokultur hat die Aufgabe, mit den Mitteln der Kultur auf gesellschaftliche Herausforderungen einzuwirken und tut dies seit Jahrzehnten erfolgreich. Sie ist prädestiniert dafür, auch in der aktuellen Situation wirkungsvolle Beiträge zu leisten. Doch die bereits zuvor prekäre Lage der Hamburger Stadtteilkultur verschärft sich angesichts der Folgen der Krisen: Geringer werdende Mittel für Kultur bei gleichzeitig explodierenden Kosten, Besucher*innen-Schwund durch Lockdown und Pandemie-Einschränkungen, gesellschaftliche Spaltung, psychosoziale Folgen der Corona-Maßnahmen und die große Erschöpfung, die sich unter den überlasteten, unterbezahlten Beschäftigten der Stadtteilkultur breit gemacht hat, lasten wie Blei auf ihr. Ist die Superkraft Soziokultur erschöpft?

Was ist eigentlich eine Krise und welche Rolle kann Kultur bei deren Bewältigung spielen? Wie kann die Stadtteilkultur diese schwierige Situation nicht nur durchstehen, sondern handlungsfähig und wirkungsvoll bleiben? Wie findet sie zu einer Balance, die sie ihre Aufgaben und Ziele nicht aus den Augen verlieren lässt? Und wie kann die Stadtteilkultur angesichts dieser Herausforderungen die Gesundheit der Mitarbeitenden und die Widerstandsfähigkeit der Einrichtungen stärken? Dieses waren die Fragen, denen sich unser 23. Hamburger Ratschlag Stadtteilkultur im Bürgerhaus Wilhelmsburg und in einem Online-Programm gestellt hat.

Corinne Eichner heißt die Teilnehmenden willkommen, Foto: Miguel Ferraz

In dieser Ausgabe, die den 23. Ratschlag und sein Programm dokumentiert, gibt Dr. Lisa Suckert vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln einen Einblick in die aktuelle Krisenforschung: Unter bestimmten Bedingungen können Krisen zu Fortschritt und Wandel beitragen, unter anderen wiederum eine Verfestigung etablierter Ordnung oder gar den Wunsch nach Rückkehr in die Vergangenheit befördern. Prof. Dr. Julius Heinicke von der Universität Hildesheim erläutert in seinem Beitrag die Bedeutung von Kultur in Krisen: Die Künste haben oftmals seismographische Fähigkeiten, indem sie früh auf Krisenstimmungen hinweisen. Und auch Stadtteilkulturzentren könnten den Krisen und deren Herausforderungen auf vielfacher Art begegnen. Der Senator für Kultur und Medien Dr. Carsten Brosda plädiert dafür, jetzt „nicht die Krise zu kriegen“, denn die Zukunft sei weiterhin ungeschrieben. Gerade die Stadtteilkultur könne Bühnen dafür bieten, als Gesellschaft miteinander zu sprechen und aus diesem Gespräch Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft zu entwickeln.

Der Arbeits- und Organisationspsychologe Dr. Tobias Glück bietet einen Blumenstrauß verschiedener Ansätze und Perspektiven an, mit denen Geschäftsführungen auf Krisen reagieren können, die Regionalberaterin Christiane Mielke möchte dafür sensibilisieren, dass auch in der Soziokultur die Freude am Job in einem „Nichts geht mehr“ – einem Burnout – enden kann und Supervisorin Ingrid Wagemann gab in ihrer Session Tipps für den Generationswechsel in Geschichtswerkstätten – ihr Artikel dazu wurde schon im letzten stadtkultur magazin veröffentlicht. Franziska Mohaupt vom Bundesverband Soziokultur erläutert in ihrem Beitrag, wie Organisationen ihren Arbeitsalltag Schritt für Schritt nachhaltiger gestalten können und Lena Hansen und Mara Bauer von Green Events geben im Anschluss konkrete Tipps im Bereich Klimaschutz und Energiesparen. Mareike Göbelshagen und Alexander Wilke vom Bündnis KulturWert zeigen, dass faire Bezahlung die Krisenfestigkeit stärken würde und stellen den aktuellen Stand der Aktivitäten des Bündnisses dar. Und Beraterin und Coachin Katrin Mercker gibt Tipps, wie man die eigene Resilienz in Krisenzeiten stärken kann.

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